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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
Autoren: John Scalzi
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konnte der Jugendliche eine Menge über wirtschaftliche und politische Interna erfahren.
    Gennadi kultivierte sein eigenes Cyranoiden-Netzwerk, um Routineüberprüfungen an nuklearen Endlagerstätten auf der ganzen Welt vorzunehmen. Die jungen Leute brauchten Qualifikationen, so dass er beziehungsweise Oversatch ihnen den Besuch von Schulen ermöglichten. Wenn sie nicht in der Schule waren, fuhr Gennadi huckepack mit ihnen zu Endlagern hinaus, wo sie als Repräsentanten einer seriösen Beratungsfirma fungierten, die er unter seinem Namen angemeldet hatte. Sein Name war ein Gütesiegel in diesen Kreisen, was bedeutete, dass die sechs jungen Männer und drei jungen Frauen bereits einen Fuß in der Tür hatten. Seit er sie dirigierte, hatten alle die erstaunliche Fähigkeit entwickelt, Probleme in den Endlagerstätten zu bemerken. Alle machten enorme Fortschritte.
    Er setzte sich unter die unsichtbare Laserdusche und machte sich bereit, seine Studenten aufzurufen. In diesem Moment ging ein leichter Ruck durch das Schiff – eine winzige Bewegung, aber als Ingenieur berechnete Gennadi sofort die Energiemenge, die dafür verantwortlich sein musste. Es war eine große Menge.
    Nun bemerkte er, dass der Boden langsam schwankte. So etwas geschah nur selten mit der Akira , nicht nur, weil sie ein riesiges Schiff war, sondern weil sie außerdem gyroskopisch stabilisiert wurde. »Haben Sie das gespürt?«, fragte er die Frau neben ihm.
    Sie wandte sich ihm zu, während sie an ihrer Ausrüstung die Pausetaste drückte, und sagte: »Was?«
    »Schon gut.« Er rief den Link auf, über den die Schiffsdaten nach Oversatch weitergeleitet wurden. Sie befanden sich in der Tschuktschensee – Russland lag steuerbord und Alaska backbord. Gennadi hatte geschlafen, als die Akira den Nordpol überquert hatte, aber wie es schien, hatte es dort ohnehin nicht viel zu sehen gegeben, da es auf dem offenen arktischen Ozean neblig war. Nun jedoch braute sich ein schwerer Sturm in der Ostsibirischen See zusammen. Die Videoübertragung zeigte brodelnde dunkle Wolken und ein Meer mit riesigen, schaumgekrönten Wellen. Es wunderte ihn, dass er es nicht früher gespürt hatte. Die Bordkommunikation klang zurückhaltend, aber gelangweilt, da solche Stürme auf den neuen eisfreien arktischen Routen anscheinend an der Tagesordnung waren. Dieser lag genau auf ihrem Kurs, aber offenbar war man entschlossen, einfach hindurchzufahren.
    Gennadi nahm sich vor, später nach oben zu gehen und sich den Sturm mit eigenen Augen anzusehen. Doch als er sich gerade wieder auf seinen Sitz sinken ließ, flog die Tür auf, und Miranda kam hereingestürmt.
    Sie griff nach seinen Händen, hielt inne und fragte: »Bist du huckepack?«
    »Nein, ich …«
    Sie zog ihn hoch. »Ich habe ihn gesehen! Gennadi, ich habe Jake gesehen!«
    Das Deck neigte sich und ging wieder in die Waagerechte, während Gennadi und Miranda sich an der Wand abstützten. »Deinen Sohn? Du hast ihn hier gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nicht hier. Und eigentlich habe ich ihn gar nicht richtig gesehen. Ich meine … ach, komm, setz dich, dann werde ich dir alles erzählen.«
    Sie suchten sich einen Platz in einiger Entfernung von der beschäftigten Frau. Der Frachtcontainer war recht schmal, so dass sich ihre Knie fast berührten. Miranda beugte sich vor, verschränkte die Hände und strahlte über das ganze Gesicht. »Es war in São Paulo. Du weißt, dass Oversatch mich dafür sponsert, an Konferenzen teilzunehmen, also dirigierte ich einen einheimischen Cyranoiden bei einem internationalen Symposium über aussterbende Regenwaldkulturen. Wir hatten eine kleine Gesprächsrunde mit etwa zehn englischsprachigen Teilnehmern gebildet, von denen ich einige kannte. Aber natürlich habe ich mich als Post-Doktorand aus Brasilia ausgegeben, beziehungsweise mein Cyranoid – du weißt schon, was ich meine. Jedenfalls kannten diese Leute mich nicht. Aber da war ein junger Mann… und jedes Mal, wenn er sprach, beschlich mich ein sehr seltsames Gefühl. Bestimmte Formulierungen, der Sprachrhythmus, selbst die Gestik … und irgendwann wurde auch er auf mich aufmerksam.
    Nach etwa einer halben Stunde suchte er meinen Blick, und dann beugte er sich vor, um etwas auf den Papierblock zu schreiben, den er benutzte. Das war so lowtechmäßig; es war mehreren von uns aufgefallen, aber niemand sagte etwas dazu. Doch am Ende der Session, als alle aufstanden, suchte er wieder meinen Blick, worauf er den Zettel
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