Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
Autoren: Gordian Robert
Vom Netzwerk:
hatte sich aufgemacht, bevor noch das Land in Missionssprengel aufgeteilt war. Allein, nur von wenigen Getreuen begleitet, die sein glühender Eifer mitriss, hatte er es gewagt, in diese schaurigen Sümpfe und Urwälder einzudringen.
    „Wer unschuldig ist, der lebt sicher!“, pflegte er Salomo zu zitieren. „Die Jahre der Gottlosen werden verkürzt, die Furcht vor dem Herrn aber mehret die Tage.“
    Ich sehe ihn noch vor mir, wie er hier in Fulda von uns Abschied nahm: Hoch gewachsen, doch klapperdürr, mit seinem blassen, ausgezehrten Gesicht und den vom Wachen und Studieren geröteten, immer strengen, starren, von innen glühenden Augen. Der Nordwind blies heftig, ließ seine langen roten Haare flattern und blähte seine Kutte. Ein letztes Mal sprach er zu uns. Seine heisere, raue Stimme kämpfte gegen das Sausen und Brausen. Ich weiß nicht mehr, was er sagte. Ich erinnere mich nur, dass ich gerührt auf seinen Mund blickte. Ganz vorn, sowohl oben als auch unten, fehlten ihm Zähne, jeweils der zweite und dritte rechts. Heidnische Fäuste hatten sie ausgeschlagen. Wie alt mochte er damals sein? Dreiundzwanzig Jahre vielleicht.
    Zum Abschied umarmte er uns unter Tränen und segnete uns. Dann warf er den Sack mit seinen Habseligkeiten über die Schulter und ging davon. Seine Gefährten folgten ihm. Es waren drei biedere, wenn auch ganz unwissende junge Mönche, die ihn verehrten und ihn beschützen wollten. Sie trugen handfeste Knüppel bei sich, die sie an Stricken unter den Kutten befestigt hatten, damit er es nicht merkte. Denn jede Gewalt war ihm zuwider.
    Ihre Füße patschten durch den Schlamm des Flussufers und sie mussten sich gegen den Wind stemmen. Hinter einer Gruppe von Weidenbäumen, die sich hin- und her bogen, als schüttelten sie die Köpfe über so viel verwegenen Mut, verschwanden die vier.
    Sie wurden nie wiedergesehen. Man fand nicht die geringste Spur von ihnen, obwohl unsere Heere danach mehrmals das sächsische Land durchstreiften und allmählich auch Gesandtschaften, Kaufmannszüge und Gruppen von Klerikern und Mönchen folgten. Wer immer sich nach ihnen erkundigte, erhielt keine Antwort. Elf Jahre waren sie nun verschwunden – eine Ewigkeit in unserer Zeit, in der so oft und so schnell gestorben wird.
    So hatte ich, offen gestanden, wenig Hoffnung, den langen Iren wiederzusehen. Dennoch war ich natürlich entschlossen, die Verpflichtung, die ich in Gegenwart unseres Herrn Königs und so vieler bedeutender Männer übernommen hatte, treu zu erfüllen. Wann immer ich auf eine Spur oder einen Hinweis stoßen sollte, ich würde ihr folgen. Wenn es sein musste, bis in die Hölle. Doch so weit brauchte ich gar nicht vorzudringen. Es genügte schon, dass ich bis in die Vorhölle kam. Dies war eine Grafschaft zwischen Weser und Aller.
    Es war der dritte Tag, nachdem wir die sehr unscharfe Grenze zwischen dem fränkischen Austrien und den sächsischen Gauen überschritten hatten. Gegen Abend wollten wir das Gut eines Grafen Volz erreichen, das in unserem Itinerar als besonders gastliche Stätte empfohlen war.
    Wir hatten zwei Nächte in elenden, schmutzigen Herbergen verbracht, Seite an Seite mit den Wirtsleuten und ihrem Vieh, weniger schlafend als halb betäubt vom Gestank und von Wanzenstichen. Nun freuten wir uns, an einen Ort zu kommen, wo uns, wie wir hofften, Ruhe, ein gutes Mahl und ein wenig Bequemlichkeit erwarteten.
    Am Ufer der Weser zogen wir nordwärts. Rechts war der graue Strom, der reichlich Wasser führte. Wir haben hier einen regnerischen Sommer und auch an diesem Tag erlebten wir mehrere Wolkenbrüche. Der elende Trampelpfad, dem wir folgten, war völlig aufgeweicht. Wir mussten unsere Reittiere führen, deren Hufe nur mühsam Halt fanden. An manchen Stellen sanken wir bis zu den Waden ein. War der Weg überhaupt nicht mehr passierbar, wurden Äxte und Messer gezückt und wir kämpften uns seitlich durch das Unterholz. So verrann kostbare Zeit.
    Der Grafensitz liegt auf der anderen Seite des Flusses, etwa vier bis fünf Meilen östlich. Nach Auskunft eines Händlers, der uns mit seinem Treck entgegen kam, sollten wir gegen Mittag eine Herberge erreichen, deren Wirt uns mit dem Fährboot hinüber bringen würde. Doch es war bereits spät am Nachmittag, als wir endlich zwischen den Bäumen das langgestreckte niedrige Haus erblickten.
    Unten am Wasser bewegten sich Leute. Wir erkannten nicht gleich, was vorging, weil uns die Sicht durch Buschwerk versperrt war. Dann sahen wir,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher