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Savoir-vivre mit Hindernissen

Savoir-vivre mit Hindernissen

Titel: Savoir-vivre mit Hindernissen
Autoren: Frieda Lamberti
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verdient?«
   »Corinna die Wahrheit zu sagen, hatte keine Konsequenzen. Für uns hätte es die Trennung zur Folge gehabt.«
   »Warum sagst du es mir jetzt?«
   »Jedes Mal, wenn ich euch zusammen sehe, kann ich dir nicht in die Augen sehen. Deshalb habe ich mich auch vor den Besuchen gedrückt, solange sie hier war. Aber ich werde nicht mit dieser Lüge in unsere Ehe gehen. Bitte, Liebling. Es ist fast ein Jahr her und ich bereue es so.«

Ich bekomme keine Luft mehr und habe das Gefühl, dass sich die Wände unserer Küche langsam auf mich zu bewegen. Der Raum wird immer kleiner und ich weiß, dass ich hier sofort raus muss, wenn ich nicht erdrückt werden will. Ich stürze auf die Terrasse und versuche, wieder langsam durchzuatmen. Martin ist mir gefolgt. Er steht hinter mir und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich gebe unverständliche Laute von mir, die mir unkontrolliert durch die Nase entweichen. Mein Hirn weigert sich, das soeben Erfahrene zu verarbeiten. Es weiß nicht, in welchen Ordner es diese Ungeheuerlichkeit ablegen soll. Entsetzt ruft es in mir »Das kann doch nicht sein? Nicht Anja. Der Mensch, mit dem ich Jahrzehnte lang durch Dick und Dünn gegangen bin. Sie, die jedes einzelne Geheimnis von mir kennt, der ich alles anvertraut habe und der ich immer treu zur Seite stand. Gibt es einen größeren Verrat?«
Verrat klingt gut, meint mein Hirn und schlägt den Ordner Unverzeihliches für die Ablage vor.
   »Lotte, bitte....«, höre ich Martin flehen.
Und du? Du bist eben doch nicht der einmalige, tolle, außergewöhnliche, unvergleichliche Martin Seibert. Du bist auch nur ein einfacher Eberhard. Also komm runter von deinem hohen Podest. Der Platz steht dir nicht mehr zu. Nicht nachdem du meine fettärschige Freundin in unserer Dusche gerammelt hast. Oh, wie gern würde ich dir jetzt wehtun. Dich einfach umschubsen. Aber er hält den Trommelschlägen meiner Fäuste, die auf seiner Brust landen, stand. Der Riese steht fest wie eine deutsche Eiche und greift nach meinen Händen. Er hält mich fest und zieht mich mit ganzer Kraft dicht an seinen Körper. Ich bin in seinen Armen gefangen und kann nichts weiter tun, als seinen schnellen Herzschlag zu hören. Unsere beiden Herzen rasen um die Wette. Ich habe keine Ahnung, welches gewinnt.
   »Lass mich los. Ich brauche jetzt etwas zur Beruhigung«, fauche ich ihn an.
   »Soll ich uns einen Schnaps einschenken?«
Hat er das wirklich gesagt? Es ist früher Vormittag und Martin Seibert ist bereit, uns ohne seine Parole »Alkohol ist auch keine Lösung!«, einen Schnaps einzuschenken? Ich schaue in sein reumütiges Gesicht und weiß, dass er in diesem Moment alles für mich tun würde. Wirklich alles? Ich stelle ihn auf die Probe.
   »Ich will keinen Schnaps. Ich weiß etwas Besseres. Lege die Sitzkissen auf die Stühle. Ich bin gleich zurück.«

In der Küche greife ich in das offene Regal, in dem ich die bunten Emaildosen aufbewahre. Die mit der Aufschrift Kakao nehme ich hervor und öffne sie. Das Gefäß enthält nicht nur das braune Pulver, sondern auch die beiden Joints, die ich am Vorabend auf die Schnelle verschwinden ließ. Aus der Schublade greife ich das lange Feuerzeug, das eigentlich für das Anstecken der vielen Kerzen angeschafft wurde. Heute wird kein Docht damit entzündet, sondern feinstes Marihuana. Von bester Qualität, wie Albert mir versicherte. Ich gehe zurück auf die Terrasse und stelle einen Aschenbecher auf den Tisch. Seit wann ich rauche, will Martin wissen und sein Blick wechselt in ehrliches Erstaunen.
   »Seitdem du mit mir Achterbahn fährst.«
   »Das ist keine Zigarette«, stellt er richtig fest und will wissen, woher ich das Zeug habe.
   »Wo ist eigentlich mein Wagen?«
   »Warum ist das jetzt wichtig? Willst du etwa wieder abhauen?«
Ich stecke die Tüte an und nehme einen kräftigen Zug. Beim Ausatmen schaue ich in den blauen Himmel und warte darauf, dass das wohlige Entspannungsgefühl einsetzt. Es stellt sich erst nach dem zweiten Zug ein.
   »Ich will deinen Leihwagen zurückgeben. Der kostet jeden Tag 100 Euro, während mein Wagen irgendwo in einer Werkstatt parkt.«
   »Warum redest du jetzt über die Wagen? Ich habe dir gerade mein Herz ausgeschüttet.«
   »Ich habe es gehört. Ich bin nicht taub.«
   »Und? Was wird nun?«
Und nun reiche ich ihm den Joint und fordere ihn auf, kräftig daran zu ziehen und seine moralischen Bedenken zur Seite zu
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