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Savoir-vivre mit Hindernissen

Savoir-vivre mit Hindernissen

Titel: Savoir-vivre mit Hindernissen
Autoren: Frieda Lamberti
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Romantiker. Wo hast du das die letzten drei Jahren so gut versteckt?«
Martin ist total aufgekratzt. Ich erkenne ihn kaum wieder. Mit einem Satz springt er aufs Bett und fragt, ob wir nicht vögeln wollen. Ich bekomme einen Lachanfall. Noch nie zuvor habe ich ihn in dieser Art sprechen hören. Er meint, irgendwie müssen wir doch die Zeit totschlagen.
   »Dann erzähle du mir eine Geschichte«, fordert er mich auf. Er legt seinen Kopf auf meinen Bauch und während ich mit meinen Fingern durch sein dichtes Haar fahre, wartet er auf meine Erzählung. Also gut.

Es war der 29. März als ich pünktlich an meinen Arbeitsplatz erschien und mir wie jeden Morgen erst in der Küche einen Kaffee einschenkte. Ich garantiere, dass es der erste und auch der einzige Tag war, an dem ich nicht um Punkt acht Uhr meinen Rechner hochfuhr. Denn ich wurde von Bettina Bruhncke aus der Buchhaltung im Flur aufgehalten. Sie hielt wie schon so oft eine Spardose in der Hand und sammelte Geld von den Kollegen ein. »Wer hat denn Geburtstag?«, wollte ich von ihr wissen und sie antwortete mir »Kein Geburtstag. Es geht um die Hochzeit vom Chef. Seibert heiratet doch im Mai. Einige Kollegen zückten sofort ihr Portemonnaie, andere meinten, es hätte ja wohl noch Zeit und drückten sich. Ich vertröstet Bettina und stellte meine Tasse ab. Wie in Trance ging ich zu den Waschräumen und schloss mich für eine Weile ein. Tun Sie das nicht, Seibert!, dachte ich. Das dürfen Sie nicht. Das können Sie mir doch nicht antun! Mit seinem Entschluss, diese Frau zu heiraten, rückte mein geheimer Wunsch, ihm irgendwann näher zu kommen, in unerreichbare Ferne. Genau an diesem Tag beschloss ich, meine stille Hoffnung ein für alle Mal zu begraben. Noch vor meinem täglichen fünf Minuten Termin druckte ich meine Kündigung aus und steckte sie in einen Umschlag. Ich musste nicht klopfen. Seine Tür stand weit offen und ich sah ihn von seinem Stuhl aufstehen, so wie er es immer tat, wenn ich eintrat, um mich höflich zu begrüßen. Mein Blick fiel auf seine weite, beigefarbige Baumwollhose, die vermutlich seine dünnen Beine kaschieren sollten. Wie immer trug er breite Hosenträger, die eng über seine schmale Brust verliefen und dafür sorgten, dass seine Hose nicht von seinem flachen Hintern fiel. Er war schlank, riesengroß und hatte die netteste Art zu lächeln, die mir je begegnet ist. Er sagte, ich solle es mir doch noch einmal überlegen und ich dachte, nein, nicht ich, Sie müssen Ihren Entschluss noch einmal überdenken. Sie begehen einen gewaltigen Fehler. Ich bin es doch, die viel besser zu Ihnen passt.

»Ja, du passt wirklich perfekt zu mir! Wollen wir jetzt endlich vögeln?«
   »Und meine Geschichte? Ich hab doch noch gar nicht zu Ende erzählt.«
   »Dünne Beine, schmale Brust und flacher Hintern! Vielen Dank, ich hab genug gehört.«
   »Ja, du warst mal richtig schlank«, gackere ich und werde mit Dauerkitzeln bestraft. Ich bettle und flehe, dass er doch endlich aufhören soll, als wir Jackson laut bellen hören. Als kurz darauf der Bewegungsmelder die Außenbeleuchtung anschaltet, flüstere ich
   »Da ist jemand vor dem Haus.«
Gemeinsam gehen wir die Treppe hinunter und Martin öffnet die Tür. Während ich Anjas Lieferwagen abfahren sehe, bückt Martin sich und nimmt einen Briefumschlag von der Fußmatte.
   »Für Lotte persönlich von Anja«, liest er mir vor.
   »Kein Interesse. Los, komm wieder mit rauf.«

Martin und Linde frühstücken ohne mich. Ich bin im Bad beschäftigt. Haare, Make up. Das dauert eben. Um zehn Uhr bin ich startklar. Rechtzeitig, um noch die Blumen abzuholen. Julian, Sunny und meine Enkelsöhne warten schon vor dem Standesamt. Ich bestaune Elias und Valentin, die in ihren schwarzen Anzügen, den weißen Hemden und Krawatten, wie kleine Miniatur Manager aussehen.
   »Bereit? Habt ihr eure Telefone ausgestellt?«
Ich bin mir sicher, meins schon gestern auf lautlos gestellt zu haben , aber ich schaue vorsichtshalber noch einmal nach. Nanu? Zehn Anrufe in Abwesenheit. Alle vom Festanschluss der Alten Mühle. Ich schnaube einmal tief durch die Nase aus. Wie dreist von Anja, mich an diesem Tag mit Anrufen zu bombardieren. Ihr sollte doch klar sein, dass mir heute nicht der Sinn nach ihrer fadenscheinigen Entschuldigung steht. Ich stelle das Telefon aus und beschließe, es erst in Frankreich wieder anzustellen. Bis auf Sören und die Vormittagsfrauen weiß niemand von unserer
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