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Saupech (German Edition)

Saupech (German Edition)

Titel: Saupech (German Edition)
Autoren: Veronika A. Grager
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beobachtet. Manche über Jahre, andere nur über Stunden hinweg, je nachdem, wie der Versuch aufgebaut gewesen war. Diese beiden Tiere waren dem Labor entkommen. Aber war die freie Welt besser als ein Labor? Wer konnte schon sagen, ob nicht jede Handlung, die man scheinbar aus freien Schritten vollführte, eine provozierte Tat war, die von irrsinnigen Wissenschaftlern und machtgierigen Politikern zu Markt- und Herrschaftszwecken analysiert wurde?
    Gloria lachte bei dem Gedanken. Auch sie stand unter Beobachtung. Das wusste sie. Und es gefiel ihr. Sie wollte den Job. Sie hatte ihn sich verdient. Sie war so dicht an ihrem Ziel, an sich selbst. Diesen Triumph wollte sie mit der Welt teilen. Aber es war niemand da außer den Ratten. Ausgerechnet. Doch es war konsequent, dass diese Nager sie zum letzten Sturm geleiteten. Sie bogen am Ende des Kanals um die Ecke und verschwanden im Dunkel.
    Gloria hatte vorgesorgt. Sie hatte geahnt, dass es in die düstere Kanalisation Wiens gehen würde. Deswegen hatte sie neben ihrer Stirnlampe auch noch einen starken Punktstrahler eingepackt. Kurz vor dem Ziel wollte sie nichts dem Zufall überlassen.
    Sie folgte dem Weg, den ihr die Ratten vorgaben, und zog den Kopf ein, damit sie mit ihrem Helm nicht gegen die tief gezogenen Stahlträger stieß, die die Decke stützten. Zweimal rutschte ihr der unsichere Boden unter den Füßen weg, kullerten Steine in die Kloaken; einmal zog es ihren Stiefel in den sumpfigen Strom. Aber es machte ihr nichts aus. Selbst der beißende Gestank störte sie nicht. Sie spürte nur, wie ihr Herz raste, als sie auf den Schrein mit den Kerzen zulief.
    Je näher sie kam, desto langsamer wurde sie. Das Kerzenlicht prophezeite eine düstere Messe. Leise Klänge eines Requiems drangen durch das Gewölbe. Die Ratten huschten zwischen den Kerzen hindurch. Warum fürchteten sie das Feuer nicht?
    »Sie haben ebenso wenig Angst vor dem Feuer wie du, Gloria.« Die Stimme drang hinter dem Schrein hervor. »Sie sind intelligent. Wieso sollten sie das Feuer fürchten? Man muss mit seinen Ängsten nur umgehen können, dann verschwinden sie von alleine, Gloria, das weißt du doch.«
    Gloria schluckte. Angst stieg in ihr hoch. Die Angst vor dem Feuer, die Angst, sich zu viel zugemutet zu haben, die Angst davor, tatsächlich dem eigenen Selbst zu begegnen.
    Sie wollte sprechen, bekam aber keinen Ton heraus. Sie beobachtete die Ahnungslosen, so wie sie sie über Jahre hinweg tagein, tagaus beobachtet hatte. Die beiden Ratten schnupperten auf der Erde und in der Luft herum, dann nahmen sie Witterung auf und rasten auf zwei Kleckse Faschiertes zu.
    Gloria erkannte, dass sie in die Falle liefen. Aber sie konnte sie nicht mehr warnen. Die Heimtücke schnappte zu, die Stahlbügel brachen ihnen das Genick, ihr Blut spritzte gegen das weißgelbe Wachs.
    Hinter dem Schrein trat eine Gestalt hervor, eine braunlederne Maske vor dem Gesicht. Die Maske lächelte nicht, noch drohte sie. Sie war neutral. Alles, was Gloria nun sah, war nur ihre Projektion auf das neutrale Gesicht, das vor ihr lächelte und drohte, lobte und schimpfte, pries und verdammte. Und sie wusste, dass auch sie in der Falle saß. Die Gestalt sprach kein Wort, dann aber sauste ein Schwert, in dessen Stahl sich die hundert Kerzen spiegelten, durch die Luft. Gleich würde es ihr das Genick durchtrennen, gleich würde auch ihr Blut das weißgelbe Wachs besprenkeln.

EINS
    Der durchdringend schrille Ton nagte an Valentinas Trommelfell. Mit einem Ruck zog sie das Kabel aus dem Verstärker. Sofort verstummte die Rückkopplung. Josef lachte heiser und zeigte dabei seine vom Nikotin gefärbten Zähne. Er schob sich eine selbst gedrehte Zigarette zwischen die Lippen und nickte Valentina aufmunternd zu.
    »Die hat Rasse, was? Auf so einer hat SRV gespielt.«
    SRV stand für Stevie Ray Vaughn, einen der großen Helden des temperamentvollen Texas Blues, der nicht nur deswegen zum Mythos geworden war, weil er verdammt schnell und schmutzig die hitzigsten Riffs klopfen konnte, sondern weil das Schicksal seinem Leben schon früh ein Ende gemacht hatte. Aber im Gegensatz zu Hendrix und den anderen Legenden war Vaughn nicht an einer Überdosis gestorben, sondern mit dem Helikopter abgestürzt. Einen Tag zuvor, so erzählte es sich die Fangemeinde, war ein Scheinwerfer direkt neben ihm auf die Bühne gekracht. Allerdings hatte er nicht ihn erwischt, sondern seiner Strat den Hals gebrochen. Die Mystiker unter den Fans sahen darin ein
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