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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang
Autoren: Anne Chaplet
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erledigt – durch dessen Ableben.
    Sie klickte sich in den Unterordner »Freizeit« und löschte die Akte MS. Danach leerte sie den elektronischen Papierkorb. Für den Fall des Falles reichte das nicht, sie wußte, daß das wirkliche Löschen von Daten noch ganz andere Maßnahmen erforderte. Aber wer würde sich schon für den Datenbestand auf dem Notebook einer Putzfrau interessieren?
    Niemand.
    Das weit größere Problem war die Suche nach einem neuen Kunden.
    Dalia seufzte und streichelte Wotan, der neben ihr saß, über den weißen Kopf. Früher war sie weitergezogen, wenn sich ein Fall erledigt hatte – entweder zu ihrer Zufriedenheit oder auf andere Weise. Das war das Muster ihres Lebens geworden: Sie wechselte die Orte und Wohnungen mit schönster Regelmäßigkeit, sie hatte nicht viel, das sie mitnahm – außer dem nötigen Mobiliar, einer Tuschezeichnung an der Wand und einer japanischen Vase. Und Wotan.
    Manchmal sehnte sie sich nach einem Haus auf dem Land, mit Auslauf für den Hund und einem Mann, der das Holz für den Kamin hackte. Aber im Grunde war es gut so, wie es war. Männer nahm man aus, statt sich auf sie einzulassen. Man wußte ja, wie das endete: auf den Knien, beim Verwischen der Spuren.
    Also was tun? Etwa bleiben und es statt mit einem neuen Kunden mit dem unaufhaltsamen Aufstieg versuchen, den die Chefin von Pollux ihr verheißen hatte? »Unser Beruf ist was für Leute, die etwas bewegen wollen.« Johanna Maurer hatte Dalia vor drei Tagen zu sich bestellt. »Man muß Organisationstalent haben, sich für Menschen interessieren und flexibel sein.«
    Sie hatte brav genickt.
    »Ich habe Sie beobachtet, Dalia! Sie können mehr als wischen und moppen.«
    Das war der erste Fehler. Sie hatte Johanna Maurer unterschätzt, hatte nicht aufgepaßt, hatte zu intelligent gewirkt. Und nun?
    »Erst werden Sie mal Vorarbeiterin, und dann sehen wir weiter.«
    Dalia erinnerte sich, irgend etwas von »zuviel Verantwortung« gestammelt zu haben, aber das kam nicht gut an. Die Maurer war niemand, der Widerspruch erwartete. Sie wollte eine Antwort, und das bald.
    Sollte sie kündigen? Die Stadt verlassen und woanders wieder anfangen? Vom Ersparten leben und all den anderen kleinen regelmäßigen Einkünften?
    Oder sollte sie seßhaft werden? Ein anständiges Leben führen? Ihr Geld auf normale Weise verdienen? War Saitz’ Tod ein Fingerzeig des Himmels?

5
    »Liebe Frau Kollegin, das mag ja ein Skandal sein, aber ist es auch justitiabel?«
    Der Abteilungsleiter, Oberstaatsanwalt Zacharias, nahm sich schon zum zweiten Mal von Manfred Wenzels Geburtstagskuchen und guckte belustigt. Karen Stark war versucht, ihm den Rücken zuzudrehen. Sie wußte, daß er sie für eine verkappte Sozialarbeiterin mit übersteigertem Gerechtigkeitsempfinden hielt.
    Sie lächelte ihn scheinheilig an und schenkte sich Kaffee nach.
    »Und 700 Euro ist ganz schön viel Geld, wenn man aus Litauen kommt!« Hermano Ortiz-Soto de Ortega, genannt H 2 0, fuchtelte mit der Olive, die er auf einen Zahnstocher gespießt hatte, und klang oberlehrerhaft, wie immer.
    »Ist das ein Argument für die Wiedereinführung der Sklaverei?« Karen merkte, wie sie langsam sauer wurde. »Die Frauen werden aus Litauen nach Deutschland gelockt, müssen 15 Stunden am Tag malochen und kriegen dafür nach Abzug der Miete gerade mal 500 Eier!«
    »Könnte es nicht sein, daß diesen Frauen harte Arbeit in Deutschland immer noch lieber ist als Armut und Arbeitslosigkeit zu Hause?« Eva Daun lächelte.
    Du falsche Schlange, dachte Karen. »Die Frauen werden nicht nur ausgebeutet, sondern sie machen sich auch noch strafbar! Oder wofür halten wir einen Verstoß gegen das Arbeitsrecht heutzutage?« Sie funkelte die Daun an. »Für ein Kavaliersdelikt?«
    »Müßt ihr euch ausgerechnet auf meiner bescheidenen kleinen Geburtstagsfeier streiten?« fragte Manfred Wenzel und drohte mit der Sektflasche, die er gerade vernehmlich geöffnet hatte.
    »Okay, okay«, sagte Zacharias und hob beschwichtigend die Hände. »Wenn die Kollegin Stark nichts Besseres zu tun hat, dann soll sie sich eben um die ethische und moralische Sauberkeit im deutschen Putzgewerbe kümmern, sofern sie dabei nicht vergißt, daß wir nicht über die Moral, sondern über die Einhaltung von Recht und Gesetz zu wachen haben!« Der Abteilungsleiter lächelte, sichtlich stolz auf seine geschmeidige Formulierungskunst.
    »Es gibt eben Leute, die auf höherem Niveau arbeiten als unsereins.« Manfred Wenzel
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