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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
Autoren: Jacek Dehnel
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Teil des Bildes, auch wenn er erschossene Aufständische, Wellington auf dem Pferd oder einen Stierkampf darstellte; sie, die Orangenverkäuferinnen vom Manzanares, Wäscherinnen, Dienstmädchen, gingen in Kette und Schuss des Bildes ein, in die Konsistenz der Grundierung und der Farben, in die feinen Pigmente. Ebenso wie die aufgereihten Birkhühner, Hasen, wie die Rehe, die er mit dem ersten Schuss umlegte. Aus nichts konnte er nichts schaffen – zuerst musste er Hand anlegen, damit später etwas anderes Lebendiges entstehen konnte.
    Mutter tat entweder so, als sähe sie das nicht, oder sie sah es wirklich nicht – vielleicht beklagte sie sich bei ihrem Beichtvater darüber, vielleicht bei der Muttergottes persönlich, vielleicht dachte sie auch, als Schwester eines Malers, so sei es eben, nackte Frauen im Haus gehörten genauso zum Leben einer Künstlergattin wie das Abwischen des weißen Staubs, der sich auf allen Möbeln absetzt, oder das Aushalten des Geruchs von Farben und Terpentin, vom Aushalten der Affären gar nicht zu reden? Ich weiß nicht.
    Als Vater sein Elternhaus verließ, gab seine Mutter ihm den Segen sowie ein kleines Heft, in das sie – nach Beratung mit einem Onkel, der bessere Beziehungen hatte als sie – die Namen der wichtigsten Personen in ganz Spanien eingetragen hatte: Fürsten, Richter, Bischöfe, Minister. Nachdem er den Grafen von Floridablanca gemalt hatte, sein erstes wichtiges Porträt, auf dem er selbst ganz klein im Schatten stand und dem schlanken Minister im roten Frack – in Wirklichkeit ein Zwerg, der zwei Köpfe kleiner war als er – schüchtern das Bild präsentierte, konnte er den ersten Namen im Heft abhaken. Die Tatsache, dass er auf diesem großen, hässlichen Bild für immer der erniedrigte Diener sein würde, schien ihm offensichtlich ein geringer Preis für die darauf folgenden Bestellungen, die in der Tat aus dem Boden schossen wie Pilze nach dem Regen. Jahr für Jahr strich er Namen aus und trug neue ein, fackelte einen nach dem anderen die Botschafter, Prinzessinnen, Generäle und andere Machthaber ab. Das tat er unter König Karl, unter Ferdinand, unter den Franzosen und unter den Spaniern, ohne Unterschied.
    Wie hätte dieser siebenundzwanzigjährige Mann, der nichts besaß außer einem unerschöpflichen Ehrgeiz, beim Anblick eines nicht gerade hübschen Mädchens (verzeiht, Mutter!) nicht daran denken sollen, dass der Bruder dieses Mädchens, Francisco Bayeu, sein Kollege in der Schule von Luzán und ein Liebling von Mengs, der Königlichen Akademie San Fernando angehörte und die Stellung eines Hofmalers bekleidete? Wusste er, als er sich als Schüler Bayeus und nicht Luzáns bezeichnete, dass sich das eines Tages auszahlen würde? Ähnlich wie die Tatsache, dass er die Ohren anlegte, als Ramón Bayeu beim Jahreswettbewerb der Akademie für den eigenen Bruder stimmte? Zuerst kam die Hochzeit, dann kamen Aufträge, die Stellung in der Teppichmanufaktur, der Umzug nach Madrid … Aber man würde den Karrieristen immer daran erinnern, dass er der trockenen, rissigen Erde bei Fuendetodos entsprossen war – und nachdem er sich beim Bemalen der Kuppel in der Kathedrale von Saragossa mit seinem Schwager zerstritten, nachdem er mit seinem Freund, dem Juristen Zapater, mühsam einen langen Appell an die Kanoniker verfasst und man ihm endlich christliche Demut ans Herz gelegt hatte, da malte er schließlich doch, was der Schwager wollte und wie es der Schwager wollte, und man zeigte ihm letztendlich, wo sein Platz war. Anlässlich der Bemalung der Kuppel wurden drei Medaillen geprägt: je eine für Francisco, für Ramón und für Josefa Bayeu. Ja, auch für meine Mutter, die nie im Leben einen Pinsel in der Hand hielt, außer in den seltenen Fällen, da es ihr gelang, das Atelier aufzuräumen. Ihr Mann, eine Gestalt aus dem Nichts, musste sich wie ein einfacher Arbeiter mit der Bezahlung begnügen.
    Ich wette, dass er ihr das heimgezahlt hat.
    Ein Leben lang ungeliebt zu sein ist für eine Frau noch schlimmer als für einen Mann.

Francisco spricht
    Für vieles im Leben kann ich Gott danken, doch am meisten nicht etwa dafür, dass er mich mit Genius und Geld gesegnet hat, denn für Genius und Geld habe ich selbst hart geschuftet, sondern dafür, dass er mir ein liebendes Herz geschenkt hat, offen für viele Arten von Liebe. Ich habe meine teure Frau geliebt, ich liebte jedes meiner Kinder, einschließlich Javier, ich liebte meinen Marianito und auf meine Art sogar
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