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Satt Sauber Sicher

Titel: Satt Sauber Sicher
Autoren: Dirk Bernemann
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immer allein. Die Ecke beim Colaverkäufer war super zum Leuteangucken. Sie starrte tagelang durch die Ödnis in die benutzten Gesichter der Menschen, die hier lebten. Sie dachte an die Sendung, die sie gesehen hatte. Spiegel TV. Da hat die Frau, die von einem Häuptling im Zelt hergenommen wurde, auch einfach nur so dagesessen und ist irgendwann wie eine blühende Blume gepflückt worden. Es ist wohl noch Zeit bis zur Karla-Ernte, dachte Karla. Weibliche Reize hatte sie nicht. Ihre Brüste schwitzten zusammengepresst unter ihrer weißen Bluse. Sie war die einzige Frau, die hier einen BH besaß, und trotzdem kam keiner, der ihn sehen wollte. Karla trank Cola, Karla guckte. Das Wetter war gelb, orange und machte Karla geduldig. Zeitvergehen ist hier weniger schlimm als in deutschen Landen.
    Jeden Tag kalte Cola mit abgelaufenem Verfallsdatum und Männer angucken, die in einer ganz anderen Welt verweilen, machte Karla erheblich müde. Aber Europa, speziell die Bundesrepublik Deutschland, da hat sie auch keine Lust mehr drauf. Da gibt es zu viel zu putzen, zu wenig Sonne, so viel komische Liebe, die niemand versteht.
    Und Werbung, hat Karla durch Werbeabstinenz erkannt, braucht keine Sau. Aber jetzt wird Karla auch hier unzufrieden und fühlt sich in ihrer Existenz bedroht. Sie dachte ja, bei den armen Leuten liegt das verdammte Glück auf der schlecht geteerten Straße rum. Pustekuchen. Nix da. Kein Glück. Karla ist hier ein Fremdkörper, den niemand so recht anschauen und ernst nehmen will. Karla fühlt sich selbst wie eine Dose Cola mit abgelaufenem Verfallsdatum. Sie schmeckt wahrscheinlich abgestanden, wenn jemand an ihr lecken würde. Macht aber keiner. Keiner leckt an ihr rum. Die deutsche Frau ist nicht von Interesse für das Fortbestehen der Welt.
    Langsam verwelkend spürt Karla an einem weiteren Hirnbrandtag einen Blick, der den ihren mit voller Absicht kreuzt. Der Inhaber dieses Blickes, ein weißer Mann mit einer leichten Gehbehinderung, schlendert ihr entgegen. Er strahlt eine klassische Mittelmäßigkeit aus, die Karla ziemlich beruhigt. Der Mann kommt an ihren Tisch gehumpelt und fragt auf Französisch, ob sie was dagegen habe, wenn er sich setze. Kein Stammeshäuptling und der meiste Lack ist auch schon ab, aber der Mann strahlt Sicherheit und Gelassenheit aus. Karla versteht kein Wort. Ein Kind kommt an den Tisch und hält eine Hand auf, weil es nur noch eine Hand hat. Der französische Mann verscheucht das Kind, wie man Mücken verscheucht, und das einhändige Kind geht seiner Wege. Krumm und unfreiwillig. Ein sehr alter Gang für ein Kind, aber für diese Region eine sehr typische Fortbewegungsart.
    Der Mann setzt sich zu Karla und schaut ihr direkt in die hitzegeröteten Augen. Er ist ziemlich dick und rot im Gesicht. Dann sagt er wieder was Französisches und Karla kratzt sich am Knie, weil ein Moskitoweibchen draufgepinkelt hat. Dann wird alles ganz weich, denn der Mann hat eine tolle Stimme, findet Karla und verliebt sich ein wenig, nur weil da jemand ist und sie was fragt. Karla zeigt ihre Unkenntnis der französischen Sprache durch Schulterzucken. Gehnicht weg komischer, humpelnder, dickgesichtiger Mann, denkt sie, bleib und rede französisch, bis die Sonne ausgeht. Der Mann sieht irgendwas im Blick der deutschen Frau, das er seltsam findet. Eine Tragik wie nur ein Franzose sie wahrnehmen kann. Karla guckt den Mann weiter an und der bestellt zwei Cola und Karla lächelt ihr Gesicht rund. Der Mann tut es ihr gleich und flüstert schon französische Schweinereien. Von wegen Flachlegen im Peugeot und so. Die alte Cola kommt. Zwei Menschen sehen sich an, beide sehen scheiße aus, macht aber nichts, beide sind am Arsch der Welt. Und in dem Alter hat mensch auch einfach keine Zeit mehr für Korrekturen des Verhaltens oder des Aussehens. Die Zeit tickt und die Kommunikation wird nicht besser, aber tiefer. Irgendwann greift der französische Mann Karlas Knie und drückt es sanft und Karla lässt die Hand dort, weil sie sich begehrt fühlt. Und wenn Hände an Frauen ihres Alters und ihrer Lebensführung gelangen, werden die da liegen gelassen. Der französische Mann streichelt Karlas Knie, wie eine zärtliche Metzgerhand die Frikadellen aus Schweinehack formt. Karla jubiliert innerlich.
    Das abgewiesene Kind hat in seiner Hütte eine Pistole. Die hat es geholt, weil es stark angepisst ist vom unfreundlichen Verhalten der europäischen Einwanderer, da es beim Erbetteln lebensnotwendiger Gaben so
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