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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori
Autoren: Don Winslow
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Gong, und er kehrte mit der cha-wan zurück, einer roten Keramikschale, die einen Teebesen, einen Schöpflöffel und ein Tuch enthielt.
    Als teishu , Gastgeber, kniete sich Haverford an den ihm vorgeschriebenen Platz neben der Kochstelle und Nikolai di rekt gegenüber an den Tisch. Er wischte alle Utensilien mit dem Tuch ab, füllte die Schale mit heißem Wasser, spülte den Teebesen, goss das Wasser in ein anderes Becken und wischte die Teeschale erneut sorgfältig aus.
    Nikolai genoss das alte Ritual, wollte sich aber nicht einlullen lassen. Der Amerikaner hatte offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht und wusste, dass Nikolai in den wenigen Jahren, in denen er vor seiner Gefangenschaft in Tokio gelebt hatte, einen formellen japanischen Hausstand mitsamt Gefolge gegründet und die alten Rituale befolgt hatte. Sicherlich setzte er darauf, dass Nikolai das cha-kai als nostalgisch und beruhigend empfinden würde.
    Und so ist es auch, dachte Nikolai, aber bleib wachsam.
    Haverford präsentierte den Schöpflöffel, öffnete einen Leinenbehälter und hielt einen Augenblick inne, damit seine Gäste das Aroma prüfen konnten. Nikolai stellte erstaunt fest, dass es sich um koi-cha handelte, aus hundertjährigen Pflanzen, die nur im Schatten und nur in bestimmten Gegenden von Kyoto wuchsen. Er hatte keine Vorstellung, was dieser mat-cha gekostet haben musste, und fragte sich, was er ihn selbst wohl kosten würde. Die Amerikaner betrieben einen solchen Aufwand sicherlich nicht umsonst.
    Nachdem Haverford eine angemessene Pause eingelegt hatte, tauchte er jetzt einen kleinen Löffel in den Behälter und gab sechs Einheiten des feinpulvrigen blassgrünen Tees in die cha-wan . Mit der Bambuskelle schöpfte er heißes Wasser in die Schale, nahm den Teebesen und verquirlte beides zu einer dünnflüssigen Paste. Er begutachtete das Ergebnis seiner Arbeit und reichte Nikolai zufrieden die Schale über den Tisch.
    Wie es das Ritual vorsah, verneigte sich Nikolai, nahm die cha-wan mit der rechten Hand entgegen, übergab sie seiner Linken und balancierte sie in der Handfläche. Er drehte sie dreimal im Uhrzeigersinn und nahm dann einen langen Schluck. Der Tee war hervorragend und Nikolai bekundete dies höflich mit lautem Schlürfen. Dann wischte er den Rand der cha-wan mit seiner Rechten ab, drehte die Schale einmal im Uhrzeigersinn und gab sie an Haverford zurück, der sich verneigte und seinerseits davon trank.
    Nun begann die weniger formelle Phase des cha-kai . Haverford wischte die cha-wan erneut aus, und Kamiko füllte Kohle in das Becken, um weitere Tassen mit schwächerem Tee zu kochen. Trotzdem gab es auch hier Formalitäten zu beachten, und um seiner Rolle als Gast gerecht zu werden, begann Nikolai eine Unterhaltung über die bei der Zeremonie verwendeten Utensilien.
    »Die cha-wan stammt aus der Monoyama-Zeit, nicht wahr?«, richtete er das Wort an Haverford, denn er hatte die charakteristische rote Färbung erkannt. »Sie ist wunderschön.«
    »Ganz recht, Monoyama«, erwiderte Haverford. »Aber es ist nicht das schönste Stück.«
    Beide wussten, dass die Schale aus dem siebzehnten Jahrhundert unbezahlbar war. Der Amerikaner hatte ungeheure Kosten und Mühen auf sich genommen, um diese »bescheidene« Teezeremonie zu veranstalten, und Nikolai fragte sich unwillkürlich weshalb.
    Haverford konnte seine Zufriedenheit über die gelungene Überraschung kaum verbergen.
    Ich kenne dich nicht, Hel, dachte er, als er sich wieder in den Schneidersitz hinabsenkte, aber du kennst mich auch nicht.
    Ellis Haverford war in der Tat anders als die firmeneigenen Rowdys, die Nikolai während seines dreitägigen brutalen Verhörs windelweich geprügelt hatten. Obwohl er auf der Upper East Side von Manhattan geboren war, hatte er Yale und Harvard zugunsten der Columbia ausgeschlagen, weil er sich nicht vorstellen konnte, freiwillig aus Manhattan fortzuziehen. Als Pearl Harbor bombardiert wurde, studierte er gerade asiatische Sprachen und Geschichte und schien somit prädestiniert für einen Schreibtischjob beim Geheimdienst.
    Doch Haverford weigerte sich, ging stattdessen zu den Marines, befehligte einen Zug in Guadalcanal und eine Kompanie in Neu-Guinea. Als ihm Purple Heart und Navy Cross an die Brust geheftet wurden, musste er sich schließlich eingestehen, dass er seine Ausbildung verschwendete. Also erklärte er sich bereit, verdeckt zu arbeiten und trainierte in den Dschungeln von Französisch-Indochina einheimische
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