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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori
Autoren: Don Winslow
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antwortete Haverford, dem wieder einfiel, dass Hel zwar ein effizienter Killer, auf dem Gebiet der weltweiten Spionage aber noch ein Neuling war. »Mitsamt einer konstruierten persönlichen Biografie.«
    »Und die wäre?«, fragte Nikolai.
    Haverford schüttelte den Kopf. »Das müssen Sie jetzt noch nicht wissen.«
    Nikolai beschloss, es darauf ankommen zu lassen, und sagte: »Ich war in meiner Zelle ganz zufrieden. Ich könnte auch wieder zurückgehen.«
    »Das könnten Sie«, gab Haverford ihm Recht. »Und wir könnten Sie wegen Mordes an Kishikawa vor Gericht stellen.«
    Geschickt gespielt, dachte Nikolai und beschloss, im Umgang mit Haverford vorsichtiger zu sein. Da er sah, dass es hier keine Möglichkeit zum Angriff gab, zog er sich zurück wie eine allmählich weichende Flut. »Die Operationen an meinem Gesicht – ich nehme an, wir sprechen von Operationen …«
    »Ja.«
    »Und ich vermute, es wird schmerzhaft sein …«
    »Sehr.«
    »Wie lange wird es dauern, bis alles verheilt ist?«
    »Einige Wochen«, antwortete Haverford. Er schenkte Nikolai nach, dann sich selbst und nickte Kamiko zu, damit sie eine frische Kanne brachte. »In denen Sie nicht untätig bleiben werden. Sie haben sehr viel Arbeit vor sich.«
    Nikolai zog eine Augenbraue hoch.
    »Ihr Französisch zum Beispiel«, sagte Haverford, »Ihr Wortschatz ist beeindruckend, aber der Akzent ganz falsch.«
    »Meine französische Kinderfrau wäre jetzt zutiefst beleidigt.«
    Haverford schaltete wieder auf Japanisch um, das sich besser für den Ausdruck höflichen Bedauerns eignete. » Gomen nosei , aber Ihr neuer Akzent muss südlicher klingen.«
    Warum wohl?, überlegte Nikolai. Er fragte jedoch nicht nach, denn er wollte nicht zu neugierig oder zu interessiert wirken.
    Kimoko wartete in einigem Abstand. Als sie hörte, dass Haverford fertig war, verneigte sie sich und servierte den Tee. Sie war hübsch frisiert, hatte Haut wie aus Alabaster, und ihre Augen funkelten. Nikolai ärgerte sich, als Haverford seine Blicke wahrnahm und versicherte: »Alles schon arrangiert, Hel-san.«
    »Danke, nein«, sagte Nikolai, der nicht bereit war, dem Amerikaner die Genugtuung zu gönnen, seine körperlichen Bedürfnisse richtig gedeutet zu haben. Damit würde er nur Schwäche zeigen und Haverford zu einem Sieg verhelfen.
    »Wirklich?«, fragte Haverford. »Sind Sie sicher?«
    Sonst hätte ich es nicht gesagt, dachte Nikolai. Er beantwortete die Frage nicht, sondern erwiderte stattdessen: »Noch was …«
    »Ja?«
    »Ich werde keine Unschuldigen töten.«
    Haverford schmunzelte. »Die Chance ist gering.«
    »Dann nehme ich an.«
    Haverford verneigte sich.

3
    Nikolai kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an.
    Die Kontrolle zu verlieren war für einen Mann, der sein Leben lang nach den Prinzipien strenger Selbstbeherrschung gelebt hatte, ein Gräuel und brachte ihm die Erinnerung an die pharmakologische Folter zurück, die die Amerikaner an ihm verübt hatten. Also rang er um sein Bewusstsein, doch der Wirkung des Anästhetikums konnte er sich nicht widersetzen.
    Als Junge hatte er häufig spontane Augenblicke völliger Entspannung erlebt, in denen er sich des Moments entrückt auf einer frischen Wiese mit Wildblumen liegen sah. Er wusste nicht, wie es geschah oder warum, nur dass es friedlich war und wunderschön. Er bezeichnete diese Intermezzi als seine »Ruhephasen« und konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mensch ohne sie leben könnte.
    Aber die Bombardierung von Tokio, der Tod seiner Freunde, dann Hiroshima, Nagasaki und die Verhaftung seines Ziehvaters, General Kishikawas, als Kriegsverbrecher  – dieser kultivierte Mann, der ihn das Go-Spiel gelehrt und ihm gezeigt hatte, wie man ein zivilisiertes, diszipliniertes und umsichtiges Leben führt – hatten ihn seiner kostbaren »Ruhephasen« beraubt, und egal wie sehr er sich bemühte, er konnte diesen Zustand völliger Entspannung, der einst Teil seiner Selbst gewesen war, nicht mehr wiedererlangen.
    Als man ihn in ein Flugzeug mit geschwärzten Fenstern setzte, in die Vereinigten Staaten flog und beim Aussteigen das Gesicht verband, als wäre er verwundet, war es ihm nicht möglich gewesen, Ruhe zu finden. Und noch schwerer fiel es ihm, seinen Gleichmut zu bewahren, als man ihn auf einer Trage ins Krankenhaus rollte, ihm Nadeln in die Arme stach und eine Maske über Nase und Mund zog.
    Panisch wachte er auf, weil seine Arme an der Trage festgezurrt waren.
    »Alles gut«, sagte eine weibliche
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