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Satans Erbe (German Edition)

Satans Erbe (German Edition)

Titel: Satans Erbe (German Edition)
Autoren: John Maylynn
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Hände und fing die Tränen auf, die ihr über die Wangen rollten. Ihr war kalt, doch die Tröpfchen in ihrer Handfläche schienen sich in Dunst aufzulösen.
    Elisa hob den Blick. Langsam lichtete sich der Nebelschleier. Sie durchschritt traumwandlerisch das geräumige Zimmer, das sie nie vorher bewusst wahrgenommen hatte. Sie stieß weder gegen die Couch noch gegen den Tisch oder das Bett. Vor dem in hellrosa Marmor eingefassten Spiegel im angrenzenden Bad blieb sie stehen.
    Sie war es. Elisa, 23 Jahre, mit langem braunem Haar, schneeweißen Zähnen, einer makellos blassen Haut und weit auseinanderstehenden, dunkelblauen Augen. Sie war es.
    Mit einem Auflachen wischte sie die Tränen fort und strich sich die gewellte Mähne zurück. Sie fühlte sich gut und befremdet zugleich. Als wäre sie aus einem Nachtmahr erwacht und würde feststellen, dass sie nur geträumt hatte.
    Liebe Elisa,
    eigentlich ist das Einzige, was ich dir sagen will: »Verzeih mir.«
    Elisa legte einen Zeigefinger an die Lippen. Sie wusste nicht, wer der Verfasser des Briefes war, noch konnte sie es sich erklären, warum er sich entschuldigte. Alles lag im Unklaren. Dennoch hatte die Nachricht bei ihr einen Schalter umgelegt   – die Frage war, welchen?
    »Es fällt mir schwer, einen Anfang zu finden. Ich weiß nicht, wo ich sein werde, falls du diese Zeilen jemals liest.«
    Sie blickte durch die Tür auf die hellgelben Wände, die gepflegten Möbel und meisterhaften Gemälde. Auf dem Bett lag eine penibel glattgestrichene bunte Steppdecke, die eher in ein Kinderzimmer passte. Elisa liebte sie, sie war weich und warm und duftete stets nach Pfirsich. Sie erinnerte sich nicht, je darauf gelegen oder darunter geschlafen zu haben. Was wusste sie überhaupt, was tat sie hier, warum …? Elisa versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Es wollte ihr nicht gelingen, es schien, als arbeitete ihr Gehirn erst seit wenigen Sekunden.
    »Wahrscheinlich bin ich tot« , hatte der Schreiber vermutet.
    Sie schüttelte den Kopf und sah in den Spiegel, aus Angst, ihr Ebenbild könnte soeben verschwunden sein. Einen Moment lang versank sie in der Betrachtung, dann wandte sie sich abrupt ab und verließ das Bad. Sie stampfte auf, um sich lebendiger zu fühlen, doch ihre in flauschigen Pantoffeln steckenden Füße verursachten auf dem dicken Teppichboden kaum ein Geräusch. Am Fenster riss sie die Vorhänge beiseite. Durch die hohen Scheiben fiel ihr Blick auf einen parkähnlichen Garten und weiter hinab auf ein im Mondlicht glitzerndes Flüsschen. Bäume säumten einen hellen Kieselweg, der sich die Wiesen hinabschlängelte. Bepflanzte Rondelle und Sitzecken verteilten sich auf dem Gelände, beleuchtet von schmiedeeisernen Laternen.
    »Bin ich vielleicht tot?« Ihre Stimme klang, als wäre sie jahrelang nicht benutzt worden. Sie presste die Rechte gegen die Fensterscheibe und zählte bis zwanzig … bis vierzig   … bis hundert. Sie wusste nicht, wer ihr die Zahlen beigebracht hatte, was sie verunsicherte und immer weiterzählen ließ, um sich zu beweisen, dass sie es beherrschte. Erst nach Minuten zog sie die Hand weg.
    Ein Fettfleck glänzte ihr entgegen. Ihr Atem ging flach und schnell. Schweißtropfen perlten in ihren Nacken.
    »Ich wünschte bei Gott, ich könnte die Uhr zurückdrehen und alles ungeschehen machen.«
    Wie ein eiserner Ring umklammerte Furcht ihr Herz. Ihr schwindelte, sie schwankte. Für einen Moment musste sie sich an der Kante des Sekretärs festklammern.
    Einige Bücher, ein Glas Wasser und eine Pillenschale fielen hinunter.
    »Nun aber bleibt mir nichts mehr, als dir das hier zu hinterlassen in der Hoffnung, dass die Zeit …«
    Der Brief endete mitten im Satz. Leere weitete sich in ihrem Kopf schier bis ins Unendliche aus.
    Sie wischte sich über ihr glühendes Gesicht. Ihr ganzer Körper zitterte. Halt suchend sah sie sich in dem Raum um, den sie so gut und doch nicht zu kennen schien. Das Gemälde gegenüber dem Bett zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.
    Rembrandt. Sie mochte den Maler. Helfer hoben den Leichnam Christi vom blutbefleckten Kreuz. Maria, gestützt von zwei Frauen, und andere Trauernde litten unter dem Anblick.
    Ihr Zittern verstärkte sich, ihre Gedanken verworren sich zu einem Knäuel. Mit einem Satz sprang sie auf das Kunstwerk zu. Voller Wut und Verzweiflung warf sie den Menschen auf dem Bild ihre Frage entgegen.
    »Wer bin ich?« Sie schluchzte und ihr Wimmern steigerte sich zum Schrei: »Sagt mir, wer ich bin?«
    Niemand
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