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Sassinak

Sassinak

Titel: Sassinak
Autoren: Anne McCaffrey , Elizabeth Moon
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die harte schwarze Mündung einer Waffe, die Sass nicht kannte, stach in ihre ohnehin schon wunden Rippen – »du bist die Kettenführerin. Wenn deine Kette Ärger macht, dann bist du schuld. Dann wirst du bestraft. Verstanden?«
    Sass nickte. Die Waffe stach noch fester zu. »Wenn du etwas gefragt wirst, sagst du ›Ja, Sir‹, klar?«
    Sie wollte etwas Trotziges herausschreien, wie es Carin Coldae getan hätte, hörte sich selbst aber statt dessen »Ja, Sir« sagen – und das noch auf Standard.
    Der Junge am Ende der Kette sagte: »Ich bin durstig.« Sofort richtete sich die Waffe auf ihn, und der Pirat sagte: »Du bist jetzt ein Sklave. Du bist erst durstig, wenn ich es dir sage.« Dann schwang der Pirat die Waffe wieder auf Sass, und sie spürte den Schlag erst, als er sie fast von den Beinen gerissen hatte. »Deine Kette ist ungehorsam, Nummer 15. Das ist deine Schuld.« Er wartete, bis sie wieder Atem geschöpft hatte, dann fuhr er mit seinen Anweisungen fort. Sass hörte einen dumpfen Schlag und ein schmerzerfülltes Geheul am anderen Ende des Raums, aber sie sah nicht hin. »Ihr tragt die Toten raus. Ihr stapelt sie draußen auf dem Kriechzug. Wenn ihr schnell und hart genug arbeitet, bekommt ihr später vielleicht Wasser.«
    Sie arbeiteten schnell und hart genug, dachte Sass später. Ihre achtköpfige Kette bestand ausschließlich aus Schülern der Mittelschule, und sie alle kannten Sass bereits, obwohl nur einer von ihnen ihrer Klasse angehörte. Es war nicht zu übersehen, daß die anderen Kinder sie nicht in Schwierigkeiten bringen wollten. Weil ihr die Brust bei jedem Atemzug Schmerzen bereitete, wollte sie im Moment auch keinen Ärger haben. Aber die Leichen hinauszuzerren, durch das Blut und Durcheinander auf dem Boden zu waten – Überreste von Menschen, die sie gekannt hatte, jetzt aber nur noch an dem gelben Hemd erkennen konnte, das Cefa immer getragen hatte, an dem Bronzemedaillon an Tonys Handgelenk … das war schlimmer als alles, was sie sich hatte vorstellen können. Vier oder fünf Ketten arbeiteten inzwischen an derselben Aufgabe. Später begriff sie, daß die Piraten alle Verwundeten getötet hatten; noch später sollte sie erfahren, daß sich dasselbe überall in der Stadt und in anderen Zentren ereignet hatte.
    Als sie die Toten aus dem Gebäude geräumt hatten, wurden auch ihre Kette und zwei andere auf den Kriechzug verladen; er wurde von Piraten gesteuert, die auf den Leichenstapeln saßen – als seien es Kissen, dachte Sass wütend – und die Kinder auf den hinteren Wagen bewachten. Sass wußte, daß die Piraten sie umbringen würden, und fragte sich, warum sie so lang damit warteten. Der Kriechzug schepperte und rumpelte die gebogene Fahrspur zur Fischerei-Forschungsstation hinunter, wo Caris einmal zu arbeiten gehofft hatte. Alle Fenster waren eingeschlagen, die Türen zertrümmert. Sass hatte Caris den ganzen Tag noch nicht gesehen, aber sie hatte sich auch noch nicht umzusehen gewagt. Auch Lunzie und Januk waren ihr nicht unter die Augen gekommen. Ob sie getötet worden waren?
    Der Kriechzug rumpelte ans Ende der Spur unweit des Piers. Und dort mußten die Kinder die Leichen entladen, sie aufs Pier hinausschleifen und ins Meer werfen. Es war schwierig, sich auf dem Pier zu bewegen; Die Ketten verhedderten sich immer wieder. Die Piratenwachen schlugen jeden, den sie treffen konnten, trieben sie zur Eile an, hielten sie in Bewegung, gönnten ihnen keine Pause.
    Sass hatte ihre Seele soweit abgeschirmt, wie sie konnte, und versuchte die Gesichter und Körper nicht anzusehen, mit denen sie hantierte. Sie hielt Lunzie in den Armen und hatte das Pier halb überquert, als sie es bemerkte. Ein reflexartiges Zusammenzucken, ein Schrei, der sich aus ihrer Kehle löste, und Lunzies Leichnam entglitt ihr, kippte über den Rand des Piers und klatschte ins Wasser. Sass stand wie versteinert da und konnte sich nicht mehr bewegen. Etwas riß an ihrem Kragen; sie beachtete es nicht. Sie hörte jemanden schreien: »Das war ihre Schwester!«, dann wurde alles dunkel.
     
    * * *
     
    Den Rest ihrer Zeit auf Myriad, diese wenigen Tage verzweifelter Mühen und Anstrengungen, entglitten ihr immer wieder jegliche bewußte Erinnerungen. Sie war unter Drogen gesetzt worden, hatte bis zur Erschöpfung gearbeitet und erneut Drogen verabreicht bekommen. Sie hatten die erlesensten Erze verladen, die seltenen Edelsteine, die für die Taxierung des Planeten im FES-Entwicklungsbüro verantwortlich waren, und
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