Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarrasine (German Edition)

Sarrasine (German Edition)

Titel: Sarrasine (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
eine Zeit lang im Laufen dahin. Als er nahe an einer Vigna war, setzte er seine Geliebte zu Boden.
    ›Erklären Sie mir‹, sagte er zu ihr, ›wieso diese übergroße Schwäche, die bei jeder anderen Frau häßlich wäre und so sehr mein Mißfallen erregte, daß das geringste Zeichen davon vielleicht genügte, meine Liebe zu verlöschen, mir an Ihnen gefällt und mich entzückt?... O, wie liebe ich Sie! All Ihre Fehler, Ihre Ängste, Ihr Kleinmut erhöhen nur die Anmut Ihrer Seele. Ich fühle, ich würde eine starke Frau, eine tapfere und kraftvolle Sappho verabscheuen. O gebrechliches, süßes Geschöpf! Wie könntest du anders sein? Diese Engelsstimme wäre ein Widersinn, wenn sie aus einem anderen Körper käme als aus dem deinen.‹ ›Ich kann Ihnen‹, war ihre Antwort, ›keine Hoffnung machen. Hören Sie auf, so zu mir zu sprechen; man würde nur über Sie spotten! Es ist mir unmöglich, Ihnen den Besuch des Theaters zu verbieten; aber wenn Sie mich lieben oder wenn Sie klug sind, gehen Sie nicht mehr hin. Hören Sie auf mich...‹ Sie sagte es mit tiefem Ernst. ›0, sei still!‹ rief der berauschte Künstler; ›die Hindernisse fachen die Liebe in meinem Herzen nur noch mehr an.‹
    Die Zambinella blieb in ihrer graziösen Zurückhaltung; aber sie war still, wie wenn ein schrecklicher Gedanke ihr ein Unglück vorausgekündet hätte. Als man nach Rom zurückkehren mußte, stieg sie in eine viersitzige Kutsche und befahl dem Bildhauer in grausam gebietendem Tone, mit dem Phaethon allein zurückzufahren. Unterwegs beschloß Sarrasine, die Zambinella zu rauben. Er verbrachte den ganzen Tag damit, Pläne zu entwerfen, von denen einer immer toller war als der andere. Als die Nacht anbrach und er eben ausgehen wollte, um sich zu erkundigen, wo der Palast lag, den seine Geliebte bewohnte, traf er auf der Schwelle einen seiner Kameraden.
    ›Mein Lieber,‹ sagte der zu ihm, ›ich bin von unserem Gesandten beauftragt, dich einzuladen, heute abend zu ihm zu kommen. Er gibt ein großartiges Konzert, und wenn ich dir sage, daß Zambinella da sein wird...‹ ›Zambinella!‹ rief Sarrasine, der bei diesem Namen wie von Sinnen kam, ›o, Zambinella!‹ ›Es geht dir wie aller Welt‹, antwortete ihm sein Kamerad. ›Aber‹, fragte Sarrasine, ›wenn ihr meine Freunde seid, du, Vien, Lauterbourg und Allegrain, werdet ihr mir dann für einen Handstreich nach dem Fest eure Hilfe leihen?‹ ›Es ist kein Kardinal dabei zu töten?... Nein...?‹ ›Nein, nein,‹ unterbrach ihn Sarrasine, ›ich verlange nichts von euch, was ehrbare Menschen nicht tun können.‹
    In kurzer Zeit hatte der Bildhauer alles für das Gelingen seines Anschlags vorbereitet. Er kam als einer der letzten bei dem Gesandten an; aber er kam in einem Reisewagen angefahren, der mit kräftigen Pferden bespannt war und den einer der waghalsigsten Vetturini von Rom kutschierte. Der Palast des Gesandten war gedrängt voll; nicht ohne Mühe gelangte der Bildhauer, den niemand kannte, in den Saal, in dem gerade im Augenblicke Zambinella sang.
    ›Aus Rücksicht auf die Kardinale, Bischöfe und Abbés, die hier sind,‹ so fragte Sarrasine, ,ist sie jedenfalls als Mann gekleidet, trägt einen Haarbeutel, hat das Haar gekräuselt und einen Degen an der Seite?‹ ›Sie? Welche Sie?‹ gab der alte Signor zurück, an den Sarrasine sich gewandt hatte. ›Die Zambinella.‹ ›Die Zambinella?‹ rief der römische Fürst aus; ›wollen Sie sich über mich lustig machen? Woher kommen Sie? Ist jemals eine Frau auf den römischen Theatern aufgetreten? Wissen Sie denn nicht, von was für Geschöpfen die Frauenrollen im Kirchenstaate gespielt werden? Mir, werter Herr, verdankt Zambinella seine Stimme. Ich habe dem Kerl alles bezahlt, selbst seinen Gesangslehrer. Aber er ist für den Dienst, den ich ihm geleistet habe, so wenig dankbar, daß er nicht ein einziges Mal über meine Schwelle gekommen ist. Und dabei verdankt er mir sein ganzes Vermögen.‹
    Fürst Chigi hätte wohl noch lange sprechen können, ohne daß Sarrasine ihn gehört hätte. Eine grauenhafte Wahrheit war in seine Seele gedrungen. Er war wie vom Donner gerührt. Er blieb unbeweglich und konnte die Augen nicht von dem trennen, der ein Sänger sein sollte. Sein flammender Blick hatte eine Art magnetischen Einfluß auf Zambinella: der Musico wandte schließlich seine Augen Sarrasine zu, und seine himmlische Stimme kam ins Wanken. Er zitterte! Ein unwillkürliches Flüstern regte sich in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher