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Sarrasine (German Edition)

Sarrasine (German Edition)

Titel: Sarrasine (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Tod! Zambinella steht unter dem Schutze des Kardinals Cicognara, und der läßt nicht mit sich spaßen.‹
    Wenn ein teuflischer Geist zwischen Sarrasine und die Zambinella die ganze Hölle geworfen hätte, wäre er in diesem Augenblick mit einem Satz darübergesprungen. Die Liebe des Bildhauers glich den Rossen der Unsterblichen, wie sie Homer schildert: in einem Nu hatte sie unendliche Räume hinter sich gelassen.
    ›Und wenn mich beim Verlassen des Hauses der Tod erwartete, ich ginge nur noch schneller!‹ Das war seine Antwort. ›Poverino!‹ rief der Unbekannte und verschwand.
    Von Gefahren zu hören, ist das für einen Liebenden nicht neue Wonne? Nie hatte Sarrasines Lakai ihn so sorgfältig Toilette machen sehen. Sein schönster Degen, ein Geschenk Bouchardons, die Schleife, die Klotilde ihm gegeben hatte, sein mit Flitter besetzter Rock, seine Silberweste, seine goldene Tabaksdose, die wertvolle Uhr und Kette, alles wurde aus den Behältnissen geholt: er schmückte sich wie ein junges Mädchen, das vor ihrem ersten Liebhaber paradieren soll. Zur bestimmten Stunde eilte Sarrasine, das Gesicht tief im Mantel verborgen, trunken vor Liebe und glühend vor Hoffnung, zu dem Rendezvous, das die Alte ihm genannt hatte. Die Duenna erwartete ihn.
    ›Sie haben lange gebraucht!‹ sagte sie. ›Kommen Sie!‹ Sie führte den Franzosen durch etliche Gassen und blieb vor einem Palast, der recht stattlich aussah, stehen. Sie klopfte, die Tür ging auf. Sie führte Sarrasine durch ein Labyrinth von Treppen, Galerieen und Gemächern, in denen nur der ungewisse Schein des Mondes etwas Helligkeit verbreitete, und kam bald an eine Tür, durch deren Spalten starker Lichtschein drang und hinter der man lebhaftes Sprechen und Lachen hörte. Sarrasine war geblendet, als er, nach einem Wort der Alten, in das geheimnisvolle Gemach eingelassen wurde und sich in einem glänzend erhellten und üppig eingerichteten Salon befand, in dessen Mitte eine reiche, mit Champagnerflaschen und geschliffenen, rote Funken sprühenden Fläschchen besetzte Tafel stand. Er erkannte die Sänger und Sängerinnen des Theaters und dazwischen reizende Frauen, die alle bereit waren, ein Künstlergelage zu beginnen, das nur noch auf ihn zu warten schien. Sarrasine unterdrückte eine ärgerliche Regung und machte gute Miene zu der Überraschung. Er hatte gehofft, ein schwach erleuchtetes Zimmer und seine Geliebte neben einem Kohlenbecken zu finden; er hatte von Liebe und Tod geträumt, von einem Eifersüchtigen, der auf ihn lauerte, von geflüsterten Geständnissen, von Herz an Herzen und gefährlichen Küssen; er hatte vorausgefühlt, wie ihre Köpfe sich einander näherten, [transcriptors note: type changed from "was die" to "wie das"] was die Haar der Zambinella seine brennende Stirn streifte.
    ›Es lebe die Tollheit!‹ rief er; ›Signori e belle donne, Sie müssen mir erlauben, mich später zu revanchieren und Ihnen meinen Dank dafür zu zeigen, daß Sie einen armen Bildhauer so freundlich aufnehmen.‹
    Nachdem die meisten der Anwesenden, die er vom Sehen kannte, ihn recht freundlich begrüßt hatten, versuchte er sich dem Lehnstuhl zu nähern, auf dem sich die Zambinella nachlässig ausgestreckt hatte. O, wie schlug sein Herz, als er ihren zierlichen Fuß sah, der in einem der Pantöffelchen steckte, die – gestatten Sie mir, es zu sagen, gnädige Frau – ehemals dem Frauenfuß einen so koketten, so sinnlichen Ausdruck gaben, daß ich nicht weiß, wie die Männer ihm widerstehen konnten. Die prall anliegenden weißen Strümpfe mit den grünen Zwickeln, die kurzen Röcke, die spitzen Schuhe mit den hohen Absätzen aus der Zeit Louis' XV. haben freilich vielleicht etwas dazu beigetragen, Europa und die Geistlichkeit zu demoralisieren.« »Etwas!« meinte die Marquise; »haben Sie denn nichts gelesen?« »Die Zambinella«, fuhr ich lächelnd fort, »hatte keck ihre Beine übereinandergelegt und wippte das obere neckisch hin und her. Ihre Haltung war die einer Herzogin, was zu ihrer Art kapriziöser Schönheit, die eine gewisse herausfordernde Lässigkeit an sich hatte, gut paßte. Sie hatte ihre Theaterkleider abgelegt und trug ein Leibchen, das ihre schlanke Taille eng umschloß, die über den Reifröcken und einem mit blauen Blumen bestickten Atlasrock schön zur Geltung kam. Ihre Brust, deren Herrlichkeiten im koketten Luxus von prächtigen Spitzen verborgen waren, strahlte vor Frische. Unter ihrer Frisur, die ähnlich der Haartracht der Frau du
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