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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie
Autoren: Dan Wells
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Vampir bist, genau wie wir alle.« Er lächelte, und da, im gespenstischenMondlicht, schimmerten zwei lange Reißzähne, einer auf jeder Seite des Munds. Mit zunehmendem Entsetzen starrte ich sie an, riss die Augen und den Mund auf.
    »Ihr seid Vampire?«
    »Aber natürlich sind wir Vampire.« Schwarz’ Reißzähne blitzten auf und verschwanden, wenn er den Mund öffnete und schloss. Offenbar, auch wenn das kaum vorstellbar schien, war er genauso verwirrt wie ich – als wäre die unerwartete Erkenntnis, dass einen fünf Vampire auf einem dunklen Friedhof anbeten, eine Begegnung, die man heiter und gelassen hinnehmen sollte, während in Wahrheit die Schwierigkeit, eine solche Vorstellung zu bejahen, das wahre Problem darstellt.
    »Ihr seid Vampire«, wiederholte ich.
    »Das sind wir, Erhabener«, sagten sie. »Genau wie du«, fügten sie eifrig hinzu.
    An dieser Stelle packte die Realität der Situation mein Gehirn an jener Stelle, wo ein Gehirn seine empfindlichen Teile hat, und ich tat das Einzige, was mir noch einfallen wollte. Ich rannte davon, was meine Beine hergaben. Die fünf Vampire folgten mir, so schnell sie konnten, ohne sich von den Knien zu erheben, murmelten unterwürfig und schlugen sich gelegentlich die Schienbeine an verwitterten Grabmälern an.
    Auch ich stolperte über mehr als einen Stein und suchte verzweifelt den Ausgang des Friedhofs, während ich mir noch überlegte, wohin ich mich überhaupt wenden sollte. Mein erster Gedanke riet mir, in die Stadt zu laufen und die Wachtmeister um Hilfe zu bitten, doch dieses Vorhaben verwarf ich sofort wieder. Das Leben im Gefängnis war einem Nichtleben an einem anderen Ortnicht unbedingt vorzuziehen, und ob sie Vampire waren oder nicht, ich wollte an meinem Plan festhalten und das Geld kassieren. So stürzte ich auf die Bäume am anderen Ende des Friedhofs zu und hoffte, aufs freie Land zu fliehen und die Kutsche zu finden, die Gustav für mich bestellt hatte. Auf einmal entdeckte ich ein offenes Grab, über das ich unbeholfen hinwegspringen musste, und als ich dahinter innehielt und um mein Gleichgewicht rang, holten mich die fünf rutschenden Vampire ein und plumpsten prompt in die Grube, der ich gerade ausgewichen war.
    »Verdammt will ich sein«, stöhnte Schwarz. Seine Stimme drang gespenstisch aus dem Loch hervor.
    »Das kannst du wohl sagen«, meinte der Zweite. »Wir sind für alle Ewigkeit verdammt.«
    »Zur Hölle mit dir!«, antwortete Schwarz zornig.
    »Zu spät«, entgegnete der Zweite. Dann klatschte eine Ohrfeige, und fünf Vampire schienen in der winzigen Grube ihre Arme und Beine zu sortieren.
    Ich wartete nicht, bis sie wieder auftauchten. Wahrscheinlich konnte ich über den Friedhof und halb durch den angrenzenden Wald rennen, ehe sie sich gesammelt hatten und aus dem Grab herausgeklettert waren. Hätte ich da schon gewusst, welchem Irrsinn ich in den folgenden Tagen noch begegnen sollte, ich hätte auf der Stelle kehrtgemacht und wäre ins Gefängnis zurückgekehrt. Aber in diesem Moment war es vermutlich sowieso schon zu spät.
    Denn Sie müssen wissen, dass alles, was mit einem Sarg beginnt, auch mit einem Sarg endet.





Auf der Straße nach London · Kurz nach Mitternacht
    Erst als ich die Kutsche fast erreicht hatte – ich entdeckte sie durch die dunklen Bäume wie einen Hoffnungsschimmer –, wurde mir bewusst, dass ich Gustavs Wechselkleidung vergessen hatte und immer noch die grobe Baumwollkluft eines Gefangenen trug. Ich ließ mich zu Boden fallen, denn nun musste ich nicht nur vor Wachtmeistern und Vampiren, sondern auch vor praktisch allem und jedem Angst haben. Alle, die mich in diesem Aufzug sahen, würden mich schnurstracks zur nächsten Polizeiwache verfrachten. Als ich mir das Gehirn nach Lösungen zermarterte, ging im Dunkeln ein Mann an mir vorbei, öffnete die Hose und erleichterte sich an einem Baum.
    Er kehrte mir zwar den Rücken zu, und ich hatte mich im Unterholz versteckt, doch mir wurde bang ums Herz, weil er mich sehen und ins Gefängnis zurückbefördern konnte. Langsam schlich ich um eine mächtige Eiche herum, bis ich sicher und vor seinen Blicken geschützt war. Von hier aus erkannte ich auch die schwache Laterne der Kutsche. Das war die Gelegenheit – derMann hinter mir war anscheinend der Kutscher, und wenn ich vor ihm die Kutsche erreichte, konnte ich mich im Innern einschließen und nach London reisen, ohne mich für meine Aufmachung rechtfertigen zu müssen. Ich schlich mich durchs Unterholz,
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