Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
schleicht in Leichenhallen und auf Friedhöfen herum und stiehlt die Körperteile der Toten. Sie nennen ihn den Ghul von Bath. Alle reden davon.«
    »Ich sitze seit zwei Wochen im Gefängnis«, wandte ich ein. »Da kamen mir nicht allzu viele Gerüchte zu Ohren.«
    Der Totengräber schlurfte herein, schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Ja, das ist die Schwindsucht. Das habe ich schon so oft gesehen, dass es mir bald vorkommt wie der Anblick eines alten Freunds.« Er sprach mit starkem Akzent, vielleicht war er ein Zigeuner vom Kontinent. Er bewegte die Arme des Toten auf und ab und versuchte vergebens, ihn anzuheben, doch der große Kerl war viel zu schwer. Der Zigeuner lächelte uns hilfeflehend an, aber die Wachtmeister hatten zu viel Angst und wagten es nicht, sich ihm zu nähern, und ich war zu verdrossen, um ihm Beistand zu leisten. Also schwenkte er die Arme des Toten noch einige Male hilflos hin und her und kratzte sich schließlich amKopf. In diesem Augenblick entstand draußen im Flur Lärm – eine Tür, Füßetrampeln und der ängstliche Schrei einer Frau.
    »Ist es wahr? Ist er tot? Das kann nicht sein!« Die Schritte näherten sich, und Hauptwachtmeister Barrow hob eine Hand, um die arme Frau zu sich heranzuwinken. »Schlimm!«, weinte sie. »Mein armer Frederick …« Dann stürzte sie herbei, sah mich und hielt erschrocken inne. »Du lebst ja noch.«
    »Hallo, Gwen«, sagte ich.
    »Man sagte mir, du seist tot.«
    Ich blickte zu dem Leichnam hinüber. »Knapp daneben.«
    »Aber du bist noch am Leben.«
    »Du musst nicht gleich so enttäuscht sein.«
    »Bitte, Frederick.« Sie trat weiter vor. »Du weißt doch, dass deine Gwendolyn nie so gemein zu dir wäre.«
    »Meine Gwendolyn?«, erwiderte ich. »Vor zwei Wochen, bei deiner Weigerung, für mich auszusagen, da habe ich jede Hoffnung aufgegeben, du könntest jemals meine Gwendolyn sein.«
    »Was hätte ich denn schon bezeugen können?«, entgegnete sie und warf einen raschen Blick zu den Wachtmeistern hinüber. Sie trat einen weiteren Schritt auf mich zu. »Ich hatte keine Ahnung, dass du etwas gefälscht hattest. Sonst hätte ich schon vorher versucht, dir alles auszureden.« Wieder sah sie sich um und sprach mit gesenkter Stimme weiter. »Frederick, ich habe wichtige Neuigkeiten, die wir unter vier Augen besprechen müssen.«
    Ich sah sie scharf an, denn auf einmal wurde ich neugierig. Sie nickte weise, ich nickte zurück. Schließlich sprang ich auf und näherte mich den Gitterstäben.
    »Entschuldigen Sie, Hauptwachtmeister, dürfte ich mit dieser Dame unter vier Augen sprechen?«
    »Bitte, Sir!«, bat Gwen und warf dem Mann einen äußerst kummervollen Blick zu. Der brummte und grollte ein wenig, dann deutete er auf die offene Zellentür.
    »Jenkins, schließen Sie ab! Wir warten draußen im Flur, falls Sie unsere Hilfe benötigen, Miss.« Der Wächter kam und sperrte mich ein, während der Totengräber leise und traurig vor sich hin murmelte und abermals vergeblich versuchte, den Toten zu bewegen. Sobald die anderen außer Hörweite waren, trat Gwen an das Gitter und flüsterte drängend.
    »Harold Beard ist tot.«
    »Tot?«
    »Tot. Die Schwindsucht, heißt es. Er ist heute Morgen gestorben.«
    »Und das Erbe?«
    »Unberührt.« Sie nickte. »Neunzigtausend Pfund.«
    »Wie war das noch mal?«, fragte der Totengräber.
    »Nichts weiter«, antworteten Gwen und ich wie aus einem Mund.
    »Hör mal«, raunte ich ihr zu. »Die Fälschung, wegen der ich hier eingesperrt bin, hatte nichts mit Mister Beard zu tun. Es war nur ein Übungsstück, um zu prüfen, ob es mir gelänge. Alle Papiere, die ich für das Erbe aufgesetzt habe, liegen noch in der Bank und haben auf sein Ableben gewartet. Nun, da er tot ist, kommt unser Plan ganz von selbst in Gang.«
    »Der ganze Plan?«
    »Genau«, bekräftigte ich flüsternd. »Sie werden den Toten nach London bringen, wo mich niemand kennt. Dort werden die Bankiers seinen Grundbesitz zu Geldmachen, und das geänderte Testament bedenkt Harrys einzigen lebenden Verwandten, seinen Neffen Oliver Beard, mit dem gesamten Vermögen.«
    »Und das bist du.«
    »Das bin ich«, bestätigte ich. »Die falschen Ausweise waren schon ausgefertigt, bevor man mich in dieses Gefängnis gesteckt hat. Ich muss hier weg.«
    »Bist du denn sicher, dass alles so läuft wie geplant?«, fragte sie.
    »Natürlich«, antwortete ich. »Meine Fälschungen sind hieb- und stichfest. Hätte man das Übungsdokument nicht gefunden –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher