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Sarg-Legenden

Sarg-Legenden

Titel: Sarg-Legenden
Autoren: Jason Dark
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blieben innerhalb des Rasters gefangen und wurden mit aller Macht auf das Zentrum zugezerrt. Bei der zweiten Gestalt war es anders als bei der ersten. Als sie an mir vorbeihuschte, nahm ich für den Bruchteil einer Sekunde die Veränderung wahr.
    Plötzlich erschien ein Gesicht. So kurz nur, daß die Zeitspanne kaum meßbar war.
    Ein Frauengesicht!
    Noch jung, aber schrecklich verzerrt. Einen Lidschlag später glaubte ich, die Züge verglühen zu sehen. Sie wurden dicht vor mir regelrecht auseinandergerissen und verbrannten in diesem weißen Feuerlicht.
    Auch die beiden letzten tanzten näher.
    Sogar gemeinsam. Sie blieben so dicht zusammen, als wollten sie sich gegenseitig schützen. Aber so war es nicht. Zu zweit irrten sie in ihr endgültiges Verderben hinein. Es war wie ein lautloser Schlag, der sie erwischte und vor meinen Augen durch ein helles Sprühen vernichtete.
    Es waren die letzten beiden gewesen.
    Die Magie hatte keinen Fortbestand mehr. Der Friedhof war wieder frei geworden.
    Auch das Licht zog sich zurück. Es besaß keinen Angriffspunkt mehr. Ich konnte mich bücken, das Kreuz aufheben und in meiner Tasche verschwinden lassen.
    Es wurde wieder so still wie zuvor. Abgesehen von den heftigen Atemzügen, die aus meinem Mund drangen. In diesem Fall hatte ich mich wie ein Statist gefühlt, der zugleich mit einem Regisseur verglichen werden konnte.
    Es war passiert. Es war vorbei. Auch die letzten Geister hatten ihre Existenz verloren.
    Mit langsamen Schritten näherte ich mich meinen beiden Freunden. Harry Doyle stand noch immer auf dem kleinen Hügel. Er hatte seine Arme ausgebreitet, als wollte er die Welt umfassen.
    Bill nickte mir zu. »Das war erste Sahne, John, gratuliere.«
    Ich winkte ab. »Es war das Kreuz, nicht ich.«
    »Aber du bist sein Besitzer und Träger.«
    »Sicher, das schon.« Ich räusperte mich und schaute mich um. Der Friedhof war so still und leer. Nichts erreichte meine Ohren. Kein Schreien mehr. Die übliche Ruhe hatte den Friedhof überdeckt.
    »Dann können wir gehen«, sagte Suko.
    »Willst du noch mal ins Haus?« fragte ich ihn.
    »Nein, du?«
    »Nicht mehr nötig.«
    Auch Doyle kam zu uns. Er schaute uns mit einem Gesicht an, dessen Ausdruck nur schwer zu beschreiben war. »Das… das… muß mir mal einer erklären«, sagte er.
    »Es ist auch für uns ein Rätsel«, gab ich zurück.
    »Echt?«
    »Hast du Aufnahmen gemacht?« fragte Bill.
    Doyle lachte wie ein alter Geier. »Aufnahmen? Bei dem Licht? Ich glaube, du tickst nicht richtig. Aber vergessen werde ich das alles nicht. Ich habe den Friedhof schon fotografiert und…«
    Bill schüttelte den Kopf. »Ich denke, daß es keinen Bericht geben wird. Weder von mir noch von dir.«
    »Ach. Wieso nicht?«
    »Das glaubt uns niemand. Es ist auch besser so. Sonst gibt es hier noch einen regelrechten FriedhofTourismus.«
    »Das muß ich mir noch überlegen.« Doyle war damit gar nicht einverstanden. Er wechselte das Thema. »Was tun wir jetzt, wo alles gelaufen ist?«
    »Harry«, sagte Bill und bezog sich dabei auf einen in Deutschland zum Kult gewordenen Satz, »Harry, hol schon mal den Wagen…«
    ***
    Das tat Doyle zwar nicht, aber wir rollten letztendlich mit zwei Autos in Trimball ein.
    Wir hatten damit gerechnet, einen menschenleeren Ort vorzufinden. Das war ein Irrtum. Die Menschen standen auf der Straße und vor ihren Häusern. Sie mußten mitbekommen haben, daß sich auf dem Friedhof etwas abspielte. Sicherlich hatten sie das Licht gesehen, doch was vorgefallen war, wußten sie nicht.
    Wir hielten dort an, wo sich die meisten Menschen aufhielten. Vor Cliftons Gaststätte, aus dessen Fenstern gelblicher Lichtschein nach draußen drang.
    Averell Clifton, der Besitzer, stand vor der Tür. Er schaute uns entgegen, als wir ausstiegen. Trotz seiner Kopfverletzung huschte Doyle wie ein Wiesel davon. Er schoß die Aufnahmen reihenweise. Dabei flammte immer wieder das kalte Blitzlicht auf.
    »Haben Sie uns was zu sagen?« fragte Clifton.
    »Ja«, erklärte ich. »Sie können alles vergessen, was mit dem Namen Kilrain zu tun hat. Es gibt sie nicht mehr. Zumindest nicht in dieser Welt und auch nicht in ihrem Zwischenreich. Wir haben sie zerstört. Sie werden das Licht gesehen haben.«
    »Das ist richtig.«
    »Was immer da auch geschehen ist, wie es die Familie geschafft hat, trotz der Selbstmorde nicht in das Reich der Toten einzugehen, wir wissen es leider nicht. Aber es waren keine guten und positiven Mächte, die sie dazu
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