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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder
Autoren: Andrej Longo
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hingefahren. Inzwischen war es schon neun durch gewesen. Der Präsident war nervös.
    »Ich warte seit über einer Stunde auf Sie«, konnte er sich nicht verkneifen.
    »Ich dachte nicht, dass es so eilig ist«, gab der Commissario zurück. »Sonst wäre ich früher gekommen.«
    Der Polizeipräsident lächelte schmal. Er sagte, dass es ja nur ein inoffizielles Treffen wäre, und erklärte, dass er Druck von oben bekommen hätte und deshalb mit ihm sprechen wollte.
    »Also ist unser Treffen gar nicht so inoffiziell«, sagte der Commissario.
    »Machen Sie sich ruhig lustig, Santagata, aber der Mord an diesem Mädchen ist eine ernste Sache.«
    »Lo Russo, die aus Posillipo?«
    »Wie gehen die Ermittlungen voran?«
    »Sie gehen voran.«
    »Wir müssen den Täter so schnell wie möglich verhaften.«
    »Verstanden«, antwortete der Commissario. »Wenn der Gestank dorthin zieht, wo er nicht hin soll, haben es alle plötzlich sehr eilig.«
    »Was wollen Sie jetzt damit sagen?«
    An dieser Stelle machte Scarano ein Gesicht, das genauso aussah wie das vom Commissario.
    »War nur ein Witz, Herr Präsident. Aber keine Sorge, wir tun wie immer alles, um den Täter zu finden.«
    »Ich verlasse mich auf Sie«, sagte der Polizeipräsident zufrieden.
    »Leider gehe ich in zwei Tagen in Urlaub«, setzte der Commissario nach, »da werde ich keine große Hilfe sein können.«
    Der Polizeipräsident war wie vom Donner gerührt.
    »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
    »Doch, aber wo liegt das Problem? Catogno kann mich vertreten.«
    »Ach kommen Sie, Santagata, der hat doch keinerlei Erfahrung.«
    »Sie haben Catogno befördert, nicht ich.«
    »Ja, schon gut, Sie wissen doch, wie das läuft. Versuchen Sie bitte, Ihren Urlaub um ein paar Tage zu verschieben.«
    »Das geht leider nicht«, antwortete der Commissario.
    Der Polizeipräsident tat alles, um ihn zu überreden, aber als er merkte, dass der Commissario sich stur stellte, gab er nach und sagte, dass er sich persönlich um den Fall kümmern werde.
    Na ja, jedenfalls bepissten wir uns fast vor Lachen über Scaranos Pantomime, selbst Cipriani, der sonst immer ernst blieb, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Bei der Hitze würde ich am liebsten auch in Urlaub«, sagte Cardillo, dem der Bauch beim Lachen rumhüpfte und der wie verrückt schwitzte.
    »Wenn es nach dir ginge, hättest du immer Urlaub«, antwortete Musella.
    »Na und? Lass mich doch.«
    »Cardì, dich lassen sie doch sowieso nicht an den Strand, du nimmst zu viel Platz weg«, grölte Scarano.
    Wieder alle auf dem Boden vor Lachen.
    »Du bist ’ne Nummer, Scarà«, sagte ich. »Du hättest Schauspieler werden sollen.«
    »Bin ich doch seit zehn Jahren.«
    »Wusste ich gar nicht. Wo trittst du denn auf?«
    »Wenn ich nach Hause komme. Was ich mir nicht alles ausdenke, um meine Tochter zum Lachen zu bringen!«
    »Entschuldige, hab’s nicht gleich geschnallt.«
    »Schon gut.«
    »Hat das Bad in Lucrino wenigstens geholfen?«
    »Ja, hat es, wenigstens hatte sie ihren Spaß. Ach übrigens, der Commissario hat vorhin nach dir gefragt.«
    Der Commissario saß mit der üblichen schwarzen Jacke an seinem Schreibtisch. Keine Ahnung, was ihm grade durch den Kopf ging, wie immer. Auf dem Schreibtisch entdeckte ich Sarahs Adressbuch, das er am Tag zuvor eingesteckt hatte.
    »Guten Tag, Commissario, Sie wollten mich sprechen?«
    »Ich wollte dir sagen, dass die Gerichtsmedizin den Zeitpunkt des Todes feststellen konnte, zwischen 16 und 16 Uhr 40.«
    »Also muss kurz nach dem Telefonat mit den Eltern was passiert sein?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Und das Adressbuch? Ist da irgendwas rausgekommen?«
    »Ich hab’s heute Nacht durchgeblättert und einen Namen gefunden, neben den ein Herz gemalt war. Guck mal.«
    »Nicht Sandro?«, fragte ich und griff nach dem Buch.
    »Nein. Er heißt Genny Esposito.«
    Ich sah den Namen in Rot mit einem Herz daneben, auch rot, und einem Pfeil mittendurch.
    »Wer ist denn dieser Genny?«
    »Sieht so aus, als wäre das Sarahs Ex.«
    Während wir redeten, öffnete der Commissario eine Schreibtischschublade. Ich erwartete, dass er irgendein Papier oder Dokument herausnahm. Stattdessen kamen eine Flasche Whisky und ein Plastikbecher zum Vorschein. Er goss sich das Glas halbvoll und fragte, ob ich probieren wollte. Ich hab nein danke gesagt. Irgendwo hatte ich gehört, dass der Commissario soff, dass er fast mal zum Alki geworden war, aber ich dachte immer, das wäre nur Gerede. Das hier war auch das erste
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