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Sarah Maclean

Sarah Maclean

Titel: Sarah Maclean
Autoren: Mit neun verruchten Dingen einen Lord bezwingen
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inne, lehnte den Kopf an die gepolsterte Lehne ih-
    res Sessels und atmete tief durch, sog den Duft der sorgfäl-
    tig gepflegten, geölten Lederbände ein und stellte sich vor,
    sie sei die Heldin dieser speziellen Geschichte - die liebende
    Ehefrau, Ziel einer heldenhaften Irrfahrt, die Frau, die ihren
    wunderbar listenreichen Ehemann dazu inspiriert hatte, ge-
    gen die Zyklopen zu kämpfen, den Sirenen zu widerstehen,
    alle Widerstände für ein einziges Ziel zu überwinden: an ihre
    Seite zurückzukehren.
    Wie es wohl wäre, eine solche Frau zu sein? Eine, deren un-
    vergleichliche Schönheit mit der Liebe des größten Helden ih-
    rer Zeit belohnt wurde? Wie es wohl wäre, einen solchen Mann
    in sein Herz zu schließen? In sein Leben aufzunehmen? In sein
    Bett? Ein Lächeln spielte um Callies Lippen, als ihr dieser un-
    gebührliche Gedanke durch den Kopf schoss. Ach, von wegen
    Odysseus.
    Sie lachte in sich hinein. Wenn die anderen nur wüssten, dass
    Lady Calpurnia Hartwell, die sittsame, wohlerzogene alte Jung-
    fer, geheime und völlig undamenhafte Sehnsüchte nach fiktiven
    Helden hatte. Sie seufzte selbstkritisch. Natürlich war sie sich
    bewusst, wie albern es war, von den Helden in ihren Büchern zu
    träumen. Es war eine schreckliche Angewohnheit, und sie ging
    ihr schon viel zu lang nach.
    Es hatte angefangen, als sie im Alter von zwölf Jahren Romeo
    und Julia gelesen hatte, und war ihr bei sämtlichen kleinen und
    großen Helden gefolgt - von Beowulf, Hamlet und Tristan bis zu
    den düsteren Schurken der Schauerromane. Ob Epos, Drama
    oder Roman spielte dabei keine Rolle: Callies Fantasien gal-
    ten allen fiktiven Helden gleichermaßen - und manchmal eben
    auch den Schurken.
    Sie schloss die Augen und stellte sich vor, dass sie sich an
    einem ganz anderen Ort aufhalte als diesem hohen Raum, der
    von Generationen von Allendales mit Büchern und Manuskrip-
    ten bestückt worden war. Sie stellte sich vor, dass sie nicht die
    unverheiratete Schwester des Earl of Allendale sei, sondern Pe-
    nelope, die ihren Odysseus so liebte, dass sie alle anderen Vereh-
    rer verschmähte.
    Sie stellte sich ihren Helden vor. Sie saß am Webstuhl, er
    stand in der Tür, groß und stark. Sich seine äußere Erscheinung
    auszumalen fiel ihr nicht schwer - sie hatte sie die letzten zehn
    Jahre immer wieder für ihre Fantasien verwendet.
    Groß, stark, mit dichtem, dunklem Haar, bei der es einer Frau
    förmlich in den Fingern juckte hineinzugreifen, Augen vom sel-
    ben Blau wie das Mittelmeer, über das Odysseus zwanzig Jahre
    lang gesegelt war. Ein kräftiges Kinn, beeinträchtigt nur von
    einem Grübchen, das aufblitzte, wenn er lächelte - dieses be-
    sondere Lächeln, ein Lächeln, das gleichermaßen verrucht wie
    vergnügt war.
    Ja ... sie alle waren dem einzigen Mann nachgebildet, von
    dem sie je geträumt hatte - Gabriel St. John, Marquess of Rals-
    ton. Man hätte mit Fug und Recht erwarten können, dass sie
    nach zehn Jahren unerfüllter Sehnsucht ihre Träume beerdigt
    hätte ... aber betrüblicherweise hatte es den Anschein, dass sie
    dem Wüstling ein für alle Mal verfallen war. Offenbar war sie
    dazu verdammt, bis an ihr Lebensende davon zu träumen, er sei
    Antonius und sie Kleopatra.
    Bei dem Vergleich musste sie laut herauslachen. Abgese-
    hen von dem Umstand, dass sie nach einer Kaiserin benannt
    war, müsste man schon ziemlich verrückt sein, um Vergleiche
    zwischen Lady Calpurnia Hartwell und Kleopatra zu ziehen.
    Zum einen hatte Callie noch nie einen Mann mit ihrer Schön-
    heit überwältigt - etwas, worin Kleopatra als besonders erfah-
    ren galt. Im Gegensatz zu Callie hatte Kleopatra eben keine
    langweiligen braunen Augen und langweiligen braunen Haa-
    re. Auch hätte man die ägyptische Königin kaum als füllig be-
    zeichnen können. Callie konnte sich zudem nicht vorstellen,
    dass Kleopatra je einen ganzen Ballabend lang am Rand der
    Tanzfläche hätte stehen müssen. Und Callie war sich ziemlich
    sicher, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, dass Kleo-
    patra je ein Spitzenhäubchen getragen hätte.
    Von Callie konnte man bedauerlicherweise nicht dasselbe
    sagen.
    Aber in diesem Augenblick war Callie die schöne Penelope
    und Ralston der überwältigend attraktive Odysseus, der ihr
    Ehebett eigenhändig aus einem weit umschattenden Ölbaum
    gebaut hatte. Ihre Haut rötete sich, als sie die Geschichte wei-
    terspann: Er kam näher und führte sie zu dem legendären Bett,
    hob langsam seine
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