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Sankya

Sankya

Titel: Sankya
Autoren: Zakhar Prilepin
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auf!«, schrie Sascha, von sich selbst überrascht.
    Offensichtlich hätte er auch etwas abgekriegt, aber die Straßenbahnfahrerin lenkte ab.
    »Herrschaften! Bringt die jungen Leute von der Tram weg. Im Waggon sind Kinder. Wir müssen weiterfahren.«
    »Semjonitsch, alle nun einladen oder nicht?«, fragte einer.
    »Nein. Der Patrouillendienst bringt sie zur Sammelstelle. Wir ziehen noch durch die Höfe.«
    Die Sondereinheit lud ein, und der Bus, der sich ruckartig von der Stelle bewegte, fuhr weg.
    Sie packten Wenja am Kragen. Sascha und Ljoscha forderten sie auf, einen Schritt zurück zu machen. »Noch einen Schritt zurück«. Die Tram knarrte und setzte sich in Bewegung.
    Sascha, der unter leichtem Schwindel zu blinzeln begann, schaute zum Himmel.
    Wenja und Ljoschka wurden hinterm Rücken Handschellen angelegt …
    »Hände zurück!«, wurde Sascha befohlen.
    Etwas Kaltes drückte die Hände zusammen.
    Sie gingen die Straße hinunter, angetrieben von den Flüchen der Milizionäre. Manchmal heulte ein Schäferhund bösartig auf.
    Wenja hob immer wieder den Kopf und versuchte mit feuchtem Pfeifen durch die zerquetschte Nase die Luft einatmend das daraus fließende Blut zu stoppen.
    Sascha betrachtete interessiert, was sie und ihre Freunde angerichtet hatten.
    Sie hatten die Straße ordentlich aufgemischt – es sah aus wie eine umgeworfene Einkaufstüte.
    Einige abgerissene und zertrampelte Trikoloren lagen auf dem Boden.
    Die Straße war mit Glas übersät, Blumen lagen da, auch eine Menge Dreck, der aus den Mülltonnen herausgefetzt worden war – es sah so aus, als wäre auf der Straße ein Regen aus Glassplittern niedergegangen, aus Mist und Blütenblättern.
    Irgendwo lagen Stühle herum, auch die Kette von der Absperrung fand sich.
    Alle Straßenlaternen waren zerschlagen.
    »Sie haben Jana erwischt«, erriet Sascha plötzlich, als er die pelzgefasste abgerissene Kapuze, von der Fäden herabhingen, am Boden liegen sah.
    »Das ist Janas Kapuze. Sie haben sie an der Kapuze gefasst.«
    Von Zeit zu Zeit kamen ihnen Leute entgegen, von denen manche mit Interesse, manche voller Schadenfreude die Festgenommenen anschauten.
    »Gefangengenommen …«, dachte Sascha ironisch. »Ich bin in Gefangenschaft geraten … Und sie können mich einsperren«, dachte er seinen Gedanken ganz ernst zu Ende.
    Das brennende Auto war aus der Entfernung zu sehen. Rundherum hetzten Feuerwehrleute. Aus den Schläuchen kam Wasser, vom Auto stieg schwerer Rauch auf.
    »Also, was für eine Scheiße habt ihr da angerichtet!«, konnte sich einer der Milizionäre nicht beruhigen, er war der dickste und sprach kurzatmig. »Für welche Scheiße soll das gut sein? So etwas anrichten, um alles hin zu machen?«
    Niemand machte Anstalten, ihm zu antworten.
    Ljoscha schaute ruhig geradeaus, und seinem Gesicht war anzumerken, dass er es nicht für notwendig hielt, mit dem Fragenden zu sprechen.
    Sascha hätte antworten können, aber die zerschlagene Lippe brannte – und er leckte ununterbrochen Blut.
    Wenja schien hingegen nicht einmal die gebrochene Nase aufzuregen, und glucksend fragte er: »Was wurde angerichtet?«
    »Das alles, habt ihr das angerichtet?«
    »Wer soll das denn angerichtet haben?«, fragte Wenja nach, als würde es ihn ernsthaft beschäftigen.
    In diesem Moment schwenkte eine Kamera direkt auf Wenja, und der Milizionär drängte die Journalisten fluchend zur Seite.
    »Hör mal, bind mich los, damit ich wenigstens das Blut abwischen kann«, nützte Wenja die Situation aus. »Sonst brummen sie euch Gewalt gegen einen Minderjährigen auf. Meine Nase ist gebrochen. Ich werde Beschwerde gegen euch einreichen.«
    »Ich scheiß auf deine Beschwerde. Verstanden?«, brauste der Milizionär auf. »Schreib nur, das ist mir egal. Ich werde dir auf der Station noch den Arsch aufreißen.«
    Wenja spuckte rot aus und verstummte.
    Die Jungs des »Sojus Sosidajuschtschich« wurden aus dem Torweg abgeführt – manchmal drei, vier Leute, manchmal gleich zehn auf einmal.
    Fast alle Verhafteten waren geprügelt worden, hatten rote, blutige Ergüsse, schwer verkrustete Augen, aufgeschwollene Nasen und zerschlagene Lippen.
    Ein etwa vierzehnjähriger Junge, der ganz blass war, mit zitternden Backenknochen, einknickenden Beinen und einem dicken, schmutzig-blutigen Klumpen im Genick bot einen schrecklichen Anblick. Er wurde am Arm gestützt.
    Bei vielen war die Kleidung zerrissen. Man konnte die jugendlichen, dünnen Körper sehen.
    Sascha kannte sie
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