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Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)

Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)

Titel: Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Autoren: Lisa Jackson
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geplagt.
    Er spähte durch das kärgliche Unterholz und pfiff gellend. Der Ton schrillte durch den Wald, während über Charley die Äste knarrten. Mit behandschuhter Hand umklammerte er den Lauf seiner Büchse, einer Winchester, die sein Daddy ihm vor mehr als einem halben Jahrhundert vermacht hatte, als er aus dem Krieg zurückkam. Charley besaß neuere Waffen, viele sogar, doch an dieser hing er ganz besonders, ebenso wie an dem müden alten Hund.
    Verdammt, dachte er, ich werde doch wohl nicht auf meine alten Tage nostalgisch?
    »Tanzy?«, rief er in der Gewissheit, dass er sich damit jede Chance auf Jagdbeute verdarb. Blödes Miststück von Hund!
    Er stapfte einen vertrauten Pfad entlang, den Blick auf den Boden geheftet, auf der Suche nach Spuren von Rehen oder Elchen oder womöglich einem Bären, obwohl die sich eigentlich längst zum Überwintern in ihre Höhlen zurückgezogen haben mussten. In der Stadt kursierten Gerüchte über einen Berglöwen, der angeblich im Sommer in der Nähe der Wasserfälle gesichtet worden war, doch Charley war bisher weder auf eine Fährte noch auf sonst irgendeinen Hinweis dafür gestoßen, dass die Raubkatze in diesen Bergen jagte. Er wusste nicht so genau, wie Pumas den Winter verbrachten; er glaubte allerdings nicht, dass sie Winterschlaf hielten. Wie auch immer – in den zweiundsiebzig Jahren, die er nun in diesen Bergen lebte, hatte er nicht ein einziges Mal einen zu Gesicht bekommen. Und er glaubte nicht, dass er dieses Pech ausgerechnet heute haben würde.
    Seine Füße schmerzten trotz der dicken Wollsocken und der Jagdstiefel vor Kälte. Der Granatensplitter, der immer noch in seiner Hüfte steckte, bereitete ihm ebenfalls Schmerzen. Trotzdem ging er auf die Jagd, durchstreifte die Wälder, wie er es als kleiner Junge mit seinem Pa getan hatte. Seinen ersten Bock hatte er mit vierzehn Jahren am Settler’s Bluff erlegt. Teufel, das war lange her.
    Ein heftiger Windstoß schlug ihm ins Gesicht, und er fluchte. »Komm schon, Tanzy! Ab nach Hause, altes Mädchen!« Es war an der Zeit, in seinem zerbeulten alten Ford-Pritschenwagen zurück in die Stadt zu fahren, sich eine Zeitung zu kaufen und im Canyon Café einen Kaffee zu trinken mit den paar von seinen Freunden, die noch lebten und gesund genug waren, um ihre Frauen für ein, zwei Stunden allein zu lassen. Später würde er dann das Kreuzworträtsel lösen und ein Feuer im Ofen anzünden.
    Wo zum Teufel steckte der Köter?
    Er pfiff noch einmal und hörte ein Winseln, dann ein Bellen.
    Endlich! Charley drehte sich um und marschierte eilig einen tiefen Bachlauf entlang, in dem Tanzy unvermittelt verrückt spielte. Die Nase dicht am Boden, schnüffelte der Hund um einen vermoderten Baumstamm herum. »Was hast du da, Mädchen?«, fragte Charley und stieg über einen ausgebleichten Baumstumpf hinweg ins Unterholz. Unter seinen Stiefeln knackten kleine Zweige, während er sich zu dem Hund vorarbeitete und sich darauf gefasst machte, dass ein Eichhörnchen oder Wiesel aus dem offenbar hohlen Baumstamm hervorschoss. Er konnte nur hoffen, dass sich dort kein Stachelschwein oder Stinktier versteckt hatte.
    Eine Windbö fuhr durch die Äste über ihm, und da roch er es – den stechenden Geruch von verrottendem Fleisch. Was immer in dem Baumstamm steckte, war längst tot. Keine Gefahr, dass es herausschoss und ihm einen Heidenschrecken einjagte.
    Tanzy bellte aus Leibeskräften, sprang gegen den Stamm und wich wieder zurück, das gefleckte Fell gesträubt, wild mit dem Schwanz peitschend.
    »Okay, okay, lass mich mal sehen.« Charley ließ sich mit knirschenden Gelenken auf ein Knie nieder. Er beugte sich hinab und spähte in den ausgehöhlten Baumstamm. »Hm, schwer zu sagen.« Aber irgendetwas steckte da drinnen, und es stank. Seine Neugier gewann die Oberhand, er hob den Stamm ein wenig an, sodass das blasse Licht der Wintersonne hineinfiel. Und dann erkannte er, was in dem Stamm steckte.
    Ein menschlicher Schädel starrte ihm entgegen.
    Charley gefror das Blut in den Adern. Er schrie auf und ließ den Baumstamm fallen.
    Das Holz splitterte, als es auf dem Waldboden aufschlug.
    Der Schädel, mit winzigen spitzen Zähnen, Strähnen von blondem Haar und Resten faulen Fleisches an den Knochen, rollte in die Tannennadeln und das trockene Laub.
    »Himmelherrgott!«, flüsterte er, und es war tatsächlich ein Gebet. In diesem Moment frischte der Wind auf, schüttelte den Schnee von den Bäumen und fuhr ihm in den Nacken. Charley
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