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Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)

Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)

Titel: Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Autoren: Lisa Jackson
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»Sie machen sich Sorgen, weil …?«
    »Sie wissen, warum. Wenn die Temperaturen sinken, scheint sich immer alles zum Schlimmeren zu verändern.«
    »Zumindest für Sie.«
    »Genau. Für mich. Deswegen bin ich doch hier, oder?« Sein steifer Nacken und die weiß hervortretenden Knöchel der gefalteten Hände verrieten seine Anspannung.
    »Weswegen sind Sie hier?«
    »Behandeln Sie mich nicht wie ein Kind. Sparen Sie sich dieses hinterhältige Psychogequatsche.«
    »Hassen Sie den Winter?«
    Ein Stutzen. Sekundenlanges Zögern. Der Patient blinzelte. »Überhaupt nicht. Hassen ist ein reichlich starkes Wort.«
    »Was würden Sie dann sagen? Was wäre das richtige Wort?«
    »Es ist nicht die Jahreszeit, gegen die ich etwas habe. Vielmehr das, was dann passiert.«
    »Vielleicht liegt Ihre Sorge, dass in dieser Jahreszeit alles schlimmer wird, nur in Ihrer eigenen Wahrnehmung begründet.«
    »Wollen Sie abstreiten, dass im Winter Schlimmes geschieht?«
    »Natürlich nicht, aber auch in anderen Monaten ereignen sich manchmal Unfälle oder andere Tragödien. Menschen ertrinken im Sommer beim Baden, stürzen beim Bergwandern von Felsen, erkranken durch Parasiten, die sich nur in der heißen Jahreszeit vermehren. Jederzeit kann Schlimmes passieren.«
    Der Patient biss die Zähne zusammen, sodass sein Kinn hart und kantig aussah, während er sich offenbar innerlich mit dieser Vorstellung auseinander setzte. Er war ein hochintelligenter Mann, sein IQ war beinahe der eines Genies, doch es fiel ihm schwer, mit der Tragödie fertig zu werden, die sein Leben so stark beeinträchtigte. »Vom Verstand her weiß ich das, aber für mich persönlich ist im Winter immer alles schlimmer.« Er blickte aus dem Fenster, hinter dem graue Wolken den Himmel verdunkelten.
    »Wegen des Vorfalls in Ihrer Jugend?«
    »Sagen Sie’s mir. Sie sind der Seelenklempner.« Er warf dem Psychologen einen kalten Blick zu, bevor er flüchtig lächelte, ein kurzes Aufblitzen von Zähnen, das, wie Dr. Randall vermutete, die meisten Frauen schwach gemacht hätte. Dieser Mann war ein interessanter Fall, und er wurde noch interessanter durch den Pakt, den sie miteinander geschlossen hatten: Es durfte keine Notizen, keine Aufnahmen, nicht einmal eine Termineintragung in Dr. Randalls Kalender geben – nichts, was darauf hindeuten konnte, dass sie einander je begegnet waren. Die Sitzung war streng geheim.
    Sein Patient warf einen Blick auf die Uhr, griff in seine Gesäßtasche und zückte sein Portemonnaie. Er zählte die Scheine nicht ab. Sie steckten bereits säuberlich gefaltet in einem Extra-Fach.
    »Wir sollten uns bald wiedersehen«, schlug Dr. Randall vor, während das Geld auf einer Ecke seines Schreibtisches abgelegt wurde.
    Der hoch gewachsene Mann nickte knapp. »Ich melde mich.«
    Und das würde er tatsächlich tun, dachte Dr. Randall und strich gedankenverloren die Falte aus den knisternden Zwanzigern, während die Stiefeltritte seines Patienten bereits auf der hinteren Treppe verhallten. Denn so sehr der Mann sich einzureden versuchte, dass er keine Therapie benötigte – er war doch klug genug zu erkennen, dass die Dämonen, die er sich austreiben wollte, sich tief im dunkelsten Winkel seiner Seele eingenistet hatten und sich ohne geeignete Maßnahmen – die Behandlung, gegen die er sich so sehr sträubte – nicht würden vertreiben lassen.
    Hochmut kommt vor dem Fall , dachte Randall und schob die Scheine in seine abgeschabte Brieftasche. Er hatte es immer wieder erlebt. Auch wenn es seinem Patienten selbst nicht bewusst war – dieser Mann stand kurz vor einem Absturz.

    »Gottverdammter Köter, wo zum Teufel steckst du jetzt schon wieder?«, knurrte Charley Perry und schob seinen Kautabak in die andere Backe. Er stromerte durch die Wildnis, weit oberhalb des Columbia River, wo es kaum etwas anderes als überaltertes Nutzholz gab. Gerade drang das erste Tageslicht zwischen den Bäumen hindurch. In der Schlucht kündigte sich bereits der Winter an, und seine blöde, nichtsnutzige Spanielhündin hatte sich wieder mal aus dem Staub gemacht. Er erwog, sie einfach zurückzulassen – wahrscheinlich fand sie den Weg zu seiner Hütte auch allein –, doch sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe. Schließlich war sie im Grunde das Einzige, was er auf der Welt hatte. Tanzy war früher ein verdammt guter Jagdhund gewesen, erinnerte sich Charley, aber mittlerweile war sie – wie er selbst auch – halb taub und von schwerer Arthritis
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