Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanft wie der Abendwind

Sanft wie der Abendwind

Titel: Sanft wie der Abendwind
Autoren: Catherine Spencer
Vom Netzwerk:
brauchst niemals mehr dieselbe Luft wie ich zu atmen. Was mich betrifft, habe ich dich beinah schon vergessen.“ Nochmals atmete Lily tief durch. „Eins noch, damit keine Missverständnisse aufkommen: Mit Natalie und Hugo werde ich weiterhin Kontakt haben. Sie sind meine einzigen Angehörigen, und eher sehe ich dich in der Hölle wieder, bevor ich zulasse, dass du dich zwischen uns drängst.“
    Da sie merkte, dass er etwas einwenden wollte, drehte sie sich rasch um und eilte die enge Treppe hinunter ohne Rücksicht auf ihre Sicherheit. Lieber brach sie sich den Hals, als dass sie Sebastian die Gelegenheit gab, das letzte Wort zu behalten.
    Morgen bin ich im ersten Flugzeug, das mich von hier wegbringt, und wenn ich einen Privatjet chartern muss, schwor Lily sich, während sie durch den Garten zum Haupthaus lief. Sie würde genügend Beweise für ihre Unbescholtenheit zusammentragen und Sebastian zeigen, wie abwegig seine infamen Verdächtigungen waren. Dann würde er ganz schön dumm dastehen.
    Am folgenden Tag erschien Hugo in der Anwaltskanzlei, was er schon seit Monaten nicht getan hatte. Allein schon die Art, wie er die Tür schloss, bewies seine Verärgerung.
    „Lily ist heute Morgen abgereist“, begann er ohne Vorrede. „Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie sehr verstört war. Du hast es ihr gesagt. Stimmt’s, Sebastian? Du hast meinem ausdrücklichen Wunsch zuwidergehandelt und ihr die Wahrheit über ihre Mutter mitgeteilt.“
    Sebastian empfand zu viel Respekt und Zuneigung für seinen Stiefvater, um den einfachsten Ausweg zu wählen und es abzustreiten. „Ja, Hugo, das habe ich getan, allerdings schon vor Längerem. Das ist nicht der Grund, warum Lily nach Vancouver zurückgekehrt ist. Du vermutest aber richtig, dass ich für ihre überstürzte Abreise verantwortlich bin.“ Er sah Hugo unverwandt an. „Ich habe einen Detektiv beauftragt, Informationen über sie zu sammeln, ebenfalls entgegen deinem ausdrücklichen Wunsch, und sie hat es herausgefunden.“
    Müde ließ Hugo sich zurücksinken, und plötzlich sah man ihm jedes einzelne seiner siebzig Jahre deutlich an. „Warum, Sebastian? Welches Recht hattest du, ihre Privatsphäre zu verletzen?“
    Das hatte er, Sebastian, sich auch immer wieder gefragt, seit Lily ihn verlassen hatte. „Anfangs habe ich deine Interessen schützen wollen. Du warst so vertrauensvoll und hast Lily sofort akzeptiert. Ich wollte sichergehen, dass sie nicht wie ihre Mutter ist und dich nur auszunutzen versucht. Zuerst ging es mir nur darum, ihre Identität zweifelsfrei bestätigen zu lassen, aber damit habe ich sozusagen eine Lawine losgetreten.“ Er seufzte. „Es kamen Dinge zum Vorschein, die Lily in schlechtem Licht erscheinen ließen, deshalb wollte ich die Sache nicht abblasen. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur anführen, dass ich hoffte, der Detektiv würde einen Beweis für Lilys Schuldlosigkeit finden.“
    „Verdammt, Sebastian!“ Hugo wurde blass, und seine Augen glitzerten. Er geriet selten in Zorn, wenn aber doch, dann war es äußerst beeindruckend. „Ich bin lange als Jurist tätig gewesen und halte mich für einen guten Menschenkenner. Ich brauche keinen Beweis für Lilys tadellosen Charakter. Von dir bin ich jedoch unendlich enttäuscht.“
    Sebastian stand auf und ging im Zimmer hin und her. „Ich bin von mir auch enttäuscht. Bei unserem letzten Gespräch sagte ich Lily, dass ich ihr nicht trauen würde, aber die Wahrheit ist die, dass ich mir nicht traue, wenn ich mit ihr zusammen bin. Sie beeinträchtigt mein Urteilsvermögen, sie hat mich dazu gebracht, Grenzen zu überschreiten und Regeln zu brechen, die bisher mein Leben bestimmt haben.“
    „Versuchst du mir zu sagen, dass du in sie verliebt bist?“ Hugo wandte sich ihm zu und betrachtete ihn eindringlich.
    Sebastian wählte seine Worte sorgfältig, weil er ausnahmsweise nicht völlig aufrichtig sein konnte. „Ich glaube, diese Möglichkeit ist gestern im Keim erstickt worden.“
    „Das war es dann wohl.“ Mühsam stand Hugo auf. „Der Sommer war bisher perfekt, und ich hatte gehofft, es würde so weitergehen. Stattdessen muss ich jetzt auf meine beiden Töchter verzichten.“
    „Auf beide?“
    „Ja, Natalie reist Ende nächster Woche nach Indien.“
    „Wie konntest du ihr das erlauben, Hugo? Das halte ich wirklich nicht für vernünftig.“
    „Du musst schon entschuldigen, Sebastian, aber im Moment bedeutet mir deine Meinung nicht viel. Du hast dich in meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher