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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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der Theke, da hat keiner etwas zu suchen, außer dem Wirt.
    Willi will es Wolf sagen, aber er schluckt es runter und zapft lieber. Wolf sieht zu sauer aus. Wie eine offene Rasierklinge. Bereit, zu verletzen.
    „Was soll das heißen? Aber Renate, du … Nein, hab ich nicht. Erst einen halben Liter. Ehrenwort. Och, komm, sei nicht zickig.“
    Er lauscht enttäuscht in den Hörer. Noch kann er es nicht fassen. Hat sie wirklich aufgelegt?
    Er drängt sich an Willi vorbei.
    „Ich muss noch mal weg. Ich komm gleich wieder.“
    Willi nickt. „Ich weiß. Du warst den ganzen Abend hier und bist auch zwischendurch nicht weggegangen. Oder?“
    „Höchstens zum Klo.“
    Als Wolf auf die Straße tritt, hört er von Ferne Polizeisirenen.

4
    Yogi ist zum Friedhof zurückgegangen. Er möchte sich mit Siggi wieder vertragen. Bestimmt ist Siggi nicht mehr böse auf ihn. Siggi ist nie lange böse.
    Yogi hockt im Schein des Feuers. Er wärmt sich die Hände. Yogi mag Feuer und die Nachtvögel in den Bäumen. Yogi hört ihnen zu und wendet dabei den Blick nicht von den Flammen. Kleine Figuren entstehen dort für ihn. Hexentanz. Ringelreihen. Zungenspiel.
    Da mischen sich fremde Töne dazwischen. Yogi ist seltsam klar heute Nacht. Er spürt, dass die Sirenen nicht in seinem Kopf losheulen.
    Er sieht das Blaulicht. Es kommt vom Hügel. Die Straße züngelt sich wie eine Schlange hierher. Mit zwei Blaulichtern wie irre gewordene Augen.
    Yogi hat Angst. Bestimmt durfte man das hier nicht tun. Jemand wird bestraft werden.
    Yogi rennt. Er flieht in den nahen Wald. Von dort sieht er zu, was passiert. Die Bäume schützen ihn. Wenn man hinter einem Baum steht, kann man nicht gesehen werden, denkt er und lacht.
    Gummibaum. Tannenbaum. Wunderkerzen.
    Funkenregen. Sprühgold. Heiß.

5
    Einen Moment zögert Wolf vor der Tür. Wie sieht er aus? Das T-Shirt durchgeschwitzt. Die Hände noch dreckig vom Friedhof.
    Scheiße, denkt er. Ich hätte mir bei Wotan wenigstens die Pfoten waschen sollen.
    Er streicht sich über die Stoppelhaare. Das macht ihm Mut. Die Haarspitzen geben glühende Energie ab. Lebensmut. Du bist wer, sagen sie. Du, Wolf Kleinhaupt, der Söldner.
    Dann klingelt er. Es dauert eine Weile. Soll er noch einmal klingeln? Da geht im Flur das Licht an. Die Tür wird geöffnet.
    Frau Schmidtmüller schaut Wolf an. Der kriegt plötzlich kein Wort mehr raus. Wenn diese Frau ihn ansieht, fühlt er sich jedes Mal ganz klein. Er schrumpft zusammen. Wird in Sekunden zwölf Jahre alt, dann acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei …
    Er ist kurz davor, ins Krabbelalter zurückzufallen, als sie sagt: „Mein Mann und ich sind gerade erst nach Hause gekommen. Es ist niemand da. Renate nicht. Siggi auch nicht. Sie sind bestimmt mit Yogi weg. Nein, warte. Siggi wollte auf Yogi aufpassen. Renate wollte zu einer Gartenparty.“ Sie hält einen Moment inne. „Bist du nicht eingeladen, Wolf?“
    Er schafft es, den Kopf zu schütteln.
    Jetzt tut es ihr leid, dass sie überhaupt etwas gesagt hat. In die Liebesangelegenheiten ihrer Tochter mischt sie sich nicht gerne ein. Da stehen zu viele Fettnäpfchen herum.
    „Wo sie genau ist, kann ich dir auch nicht sagen. Vielleicht habe ich auch alles nur falsch verstanden und sie ist mit Siggi …“
    Wolf dreht sich um. „Danke schön, Frau Schmidtmüller. Danke.“
    Seine Stimme ist die eines enttäuschten Kindes, dessen Geburtstag vergessen wurde. Wolf, der Einsame. Wolf, der Zukurzgekommene. Wolf, der Beleidigte.

6
    Wir haben die falsche Fete aufgemischt. Die hier hätten wir übernehmen sollen, denkt Wolf.
    Wieder steht er im Schatten. Wieder hinterm Zaun. Aber diesmal allein.
    Am liebsten würde er alle von Wotan abholen und aus dem Laden hier eine Achterbahn machen. Aber er kann die Augen nicht von Renate wenden. Wie sie lacht. Ihre weißen Zähne. Wie sich ihr Körper biegt. Ihr Hüftschwung. Wie sie tanzt. Ihre Arschbacken.
    Er steht auf Ärsche. Eine Weile hatte er schon Angst, schwul zu sein. Aber jetzt weiß er, es ist ganz normal. Es gibt Tittentypen und Arschtypen, hat Siggi behauptet. Er sei eben ein Arschtyp. „Das ist ganz normal“, hat Siggi gesagt. Seine Stimme war dabei etwas zu freundlich. Es hätte sein können, dass Mitleid mitschwang oder Ironie.
    Deshalb hatte Wolf ihn angebrüllt: „Klar bin ich normal! Was denkst du denn? Willst du was aufs Maul?“
    Die Wut steigt wieder in ihm hoch. Er weiß nicht genau, woher die Wut kommt. Sie ist tief in ihm drin. Er hat irgendwo in der
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