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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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wichtig. Er schaut sie immer ganz genau an. Aber es macht ihm nicht wirklich Spaß, die Karten auf den Tisch zu werfen. Eine nach der anderen. Oder alle auf einmal. Kartenschnee. Schneekarten. Schlitten-As. Pik Sieben.
    Yogi lehnt sich gegen die Friedhofsmauer. Seine Jacke schabt an den Steinen vorbei. Er fühlt sich wie ein Zug auf den Schienen. Die Mauer leitet ihn. Sie hält ihn. Führt ihn hin. Er drückt sich dagegen, während die Beine ihn vorwärts schieben.
    Dann erreicht er das schmiedeeiserne Tor. Er umklammert die Stäbe wie ein Gefangener. Er drückt sein Gesicht zwischen die Stangen. Er lacht. Es ist so schön kühl an den Wangen.
    Sie sind da. Im fahlen Licht einer entfernten Straßenlaterne kann Yogi die Gesichter nur schemenhaft erkennen. Ein Geistertanz mit Glatzen, auf denen sich das Mondlicht spiegelt.
    Siggi zündet ein Feuer an.
    „Ah“, macht Yogi. Jetzt sieht er mehr.
    Wolf schwingt den Vorschlaghammer. Der Grabstein splittert auseinander. Und schon der nächste.
    Wolf zielt immer genau auf die Sterne. Wolf ist stark. Er hechelt wie der kleine Hund, den Yogi einst hatte. Der mit dem weichen Fell. Der leider überfahren wurde.
    Peter sprüht auf die Friedhofsmauer:
    Hier liegen alles nur Schweine
    6 Millionen Lügen
    Heil Hitler
    Dann mit großen Buchstaben: PLO.
    „Äi, du Arsch! Hast du sie nicht mehr alle, oder was?“, brüllt Wolf.
    Peter steht einen Moment starr. Er weiß nicht, was er falsch gemacht hat. Doch er fürchtet Wolfs Wut.
    Wolf hält den Hammer, als wäre er sein dritter Arm. Angewachsen. Eine stählerne Verlängerung.
    „Wieso, was ist denn?“
    Wolf lässt den Hammer sinken und zeigt auf die frischen Buchstaben.
    Siggi tritt hinzu.
    Peter lacht listig: „Das ist eine Täuschung. Ein Trick. Sie werden glauben, dass die Araber es waren.“
    Jetzt wirkt Wolf, als würde er am liebsten mit dem Hammer einen Scheitel auf Peters Kopf ziehen. Peters Haare sind ihm sowieso zu lang. Pennerfrisur.
    Aber Wolf lässt den Hammer unten. Er schlägt mit links ansatzlos gegen Peters Stirn.
    „Was glaubst du, warum wir das hier machen?“, faucht er.
    Peter wackelt, weich wie eine angestochene Gummipuppe. Er kennt den Tonfall der Frage. Er hasst Fragen. Mit Fragen hat er so seine Erfahrungen. Nie hat ihn jemand etwas wirklich gefragt. Wer etwas wissen will, fragt nicht. Nicht ihn. Wer ihn fragt, will nur vorführen, was Peter nicht weiß. Peter, der Idiot. Peter, der Nichtskönner. Keine Ahnung von nichts. Mit jeder Frage mühelos bloßzustellen.
    Jetzt kommen auch noch die anderen Kameraden.
    „Was ist denn los?“
    „Der Idiot hat PLO an die Mauer gesprüht!“, schimpft Siggi. Er lässt die Worte verächtlich fallen, wie schimmlig gewordenes Obst. Fleisch mit Maden.
    „Ich … ich wollte … eine falsche Fährte legen!“, stammelt Peter. Sein Blick ist ein Heischen nach Anerkennung. Ein Flehen um Verzeihung.
    „Ich habe dich was gefragt! Warum, glaubst du, tun wir das?“
    Der Ton ist lauernd. Ein falsches Wort, und der zermatscht mir das Gesicht, denkt Peter. Ich hab nur die Spraydose.
    „Na, weil … weil wir es den Judensäuen zeigen wollen.“
    Er sieht sich um. Eisige Gesichter.
    „Weil … ja. Wir müssen ein Fanal setzen.“
    Wolf lässt den Hammer fallen. Packt Peter und drückt ihn gegen die Mauer. „Wir sind die Ichtenhagener Ultras. Die Retter Doitschlands! Es wird Zeit, dass die Welt etwas von uns erfährt! Uns kennt noch niemand. Aber dieses Ding hier wird uns berühmt machen. Die Kameraden sollen nicht mehr sagen: Ichtenhagen? Das ist doch der Pickel vom Arsch der Welt.“
    Wolf schaut in die Gesichter der anderen. Seine Augen glänzen. Er wird ihnen zurückgeben, was ihnen in den zermürbenden Jahren der Jugend genommen wurde: ihren Stolz.
    „Ah, seht nur, wird man sagen. Da sind die Froinde aus Ichtenhagen. Die Ultras. Die Härtesten der Harten. Die Radikalsten der Radikalen. Ichtenhagen – dieser Name wird Glanz bekommen.“
    Für solche Worte lieben sie ihn. Er weiß es. Er braucht Männer, die bereit sind, sich für ihn in Stücke reißen zu lassen.
    Er ballt seine Fäuste, seine Muskeln werden hart.
    „Niemand soll sagen, das hier waren die Kameltreiber. Nein! Wir waren das.“
    „Hauptsache Randale“, sagt Dieter. Mehr sagt er selten.
    „Man wird ganz schön sauer auf uns ein“, gibt Siggi zu bedenken, und gleich tun seine Worte ihm leid.
    „Sauer?“, schreit Wolf. „Sauer? Ja, bestimmt! Die Juden. Die Ausländerschweine und die linken Zecken.
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