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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse
Autoren: Tine Bergen
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Rhododendron
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    Niemand nannte mich Belle, deshalb begriff ich nicht gleich, dass ich gemeint war. Ich wollte anhalten, aber bei einer Schaukel in voller Fahrt geht das nicht so schnell. Außer Atem rannte ich schließlich zu dem Strauch und stand mit einem Mal vor Lukas
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    Er sah mich an, als käme ich von einem anderen Planeten. Sofort fühlte ich mich ertappt. Was sollte er denn von mir denken? Ich war vierzehn und schaukelte hier im Garten wie ein kleines Kind
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    »Ich wollte nur wissen, wie es sich anfühlt, mit dem Kopf in den Wolken zu sein.«
    »Oh.« Jetzt schaute er noch seltsamer
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    Ich biss mir auf die Zunge, damit mir nicht noch mehr Dummheiten herausrutschten. Einen Moment blieb es still
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    »Was machst du hier?«, fragte ich schließlich
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    »Ich werde dir gleich das Foto bringen«, antwortete Lukas. »Aber zuerst wollte ich dir das hier geben.« Er drückte mir ein kleines flaches Päckchen in die Hand und verschwand zwischen den Bäumen. Ich sah ihm mit offenem Mund nach
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    Dann ging ich zurück zur Schaukel und wickelte das Päckchen aus. Andächtig strich ich über das schöne glänzend rote Papier mit silbernem Muster. Ich beschloss es aufzuheben. Vorsichtig nahm ich einen silbernen Rahmen heraus und betrachtete mich selbst
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    Ich rannte hinein, zum Spiegel. Langsam folgte ich mit dem Finger erst den Linien auf dem Foto und dann denen im Spiegel. Ich war es wirklich. Aber ich sah so schön aus. Wie hatte er mich so auf das Papier bannen können?
    Die Sonne strahlte durch meine Locken, es schien, als stünden sie in Flammen. Meine Pupillen waren viel größer und dunkler, als sie mir jetzt im Spiegel entgegenblickten. Aber ich war es ganz gewiss. Zeit, länger darüber nachzudenken, hatte ich jedoch nicht, denn es klingelte an der Tür
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    Beinahe im gleichen Moment hörte ich Mamas Stimme von unten rufen. »Anna!«
    Hastig schob ich den Rahmen unter mein Kissen und polterte die Treppe hinunter. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag stand ich vor Lukas und rang nach Luft. Ich bemerkte die Spur eines Lächelns um seine Mundwinkel, als er mich die Treppe hinabrennen sah. Aber als ich noch mal hinschaute, war das Lächeln verschwunden. Hatte ich es mir nur eingebildet?
    »Dein Foto ist fertig, Anna.« Vorsichtig nahm ich das Päckchen entgegen und blickte zu Lukas, der noch immer im Türrahmen stand
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    »Es ist wunderschön«, platzte ich heraus
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    »Wie kannst du das denn wissen, Anna? Du hast es dir doch noch überhaupt nicht angesehen.« Ich hatte vergessen, dass Mama hinter mir stand
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    »Ich weiß es einfach«, antwortete ich trotzig. Schnell wandte ich den Kopf ab, damit meine roten Wangen mich nicht verraten würden, und rannte in die Küche. Ich musste allein sein
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    »Anna rennt gern durchs Leben«, hörte ich Mama zu Lukas sagen. Was er antwortete, konnte ich nicht mehr verstehen
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    Ich legte das Paket auf den Küchentisch und machte mich auf die Suche nach einer Schere. Dieses Foto war viel größer, als das andere, aber auch nicht so schön verpackt. Es war in einfaches braunes Packpapier eingeschlagen, das von einer groben Schnur zusammengehalten wurde. Eifrig schnitt ich sie auf
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    Etwas enttäuscht blickte ich mich kurze Zeit später zum zweiten Mal an diesem Tag auf einem Foto an
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    Ich betrachtete mich gerade genauer, als Mama hereinkam. Sie beugte sich über das Bild
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    »Es ist wunderschön geworden, Anna. Wir müssen einen ganz besonderen Platz dafür finden.« Ich nickte. Aus meiner Kehle kam kein Laut
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    »Gefällt es dir nicht?« Mama warf mir einen prüfenden Blick zu
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    »Doch, schon«, bekam ich schließlich heraus. »So sehr, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll.«
    Mit dieser Antwort gab Mama sich zufrieden. Sie räumte das Papier weg und stellte das Porträt auf den Kaminsims im Wohnzimmer. »Wenn Papa nach Hause kommt, werden wir einen schönen Platz dafür suchen.«
    Normalerweise hätte ich Zeter und Mordio geschrien. Ich hätte gebrüllt, dass es mein Geschenk war, mein Foto. Dass ich es festhaltenund hinhängen könnte, wo immer ich wollte. Dass ich es zehnmal am Tag in den Händen halten könnte, wenn ich Lust dazu hätte. Aber jetzt dachte ich an den Schatz, der unter meinem Kopfkissen verborgen lag, und nickte einfach. Ich konnte nicht schnell genug wieder nach oben kommen
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»Paps?«
    »Ja?«
    Eve näherte sich ihrem Vater, der es sich mit der Zeitung auf einem improvisierten Kissensofa in der Küche gemütlich gemacht hatte.
    »Von wem habt ihr das Haus
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