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Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai

Titel: Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Francesco Sorti
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eine völlig aus der Luft gegriffene germanische Geneaologie rekonstruieren. Ein meisterhafter Streich: Jahrzehntelang glauben die deutschen Humanisten (oder täuschen es vor), dass die Germanen mit vollem Recht uralte, ja die ältesten Ursprünge aller europäischen Völker für sich in Anspruch nehmen können. Als das Täuschungsmanöver entlarvt wird (1530), liegt der Anschlag von Luthers berühmten Thesen schon lange zurück (vgl. dazu die ausführliche Studie von P. Hutter, Germanische Stammväter und römisch-deutsches Kaisertum , Hildesheim 2000).
    Im Dritten Reich erlangt die Bedeutung der Germania als Grundlagentext für den Mythos der Germanen als eines uralten, reinrassigen und kriegerischen Volks mit unverdorbenen Sitten groteske Ausmaße. Höhepunkt war eine Episode, die von Simon Schama erzählt wird ( Landscape and Memory , London 1996, später aufgenommen von Die Gazette , Nr. 6, September 1998). Bei ihrer Begegnung in Deutschland im November 1936 wurden sich Mussolini und Hitler über das Abkommen, das den Namen «Achse Rom-Berlin» erhielt, rasch einig. Danach unterhielten sie sich über ein ganz anderes Thema. Hitler bat den italienischen Diktator um ein Geschenk: den Codex aesinas aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, der in Italien aufbewahrt wurde. Denn im Aesinas sollten sich einige Seiten aus dem Codex Hersfeldensis befinden, der älteste Handschrift von Tacitus’ Germania aus dem 9. Jahrhundert.
    Mussolini war nur zu gerne bereit, diese Bitte zu erfüllen, denn der Kodex befand sich im Besitz eines bekannten Antifaschisten, des Grafen Balleani aus Jesi. Der Kodex Esinate oder auch Jesi-Kodex war nämlich 1906 zufällig in Jesi bei Ancona in der Bibliothek der Grafen Balleani entdeckt worden. Der Duce beabsichtigte nun, diesen Kodex konfiszieren zu lassen und ihn dem Führer zu schicken. Es war allerdings weniger Hitler selbst, der das Manuskript haben wollte. Für ihn war «der Nationalsozialismus in seiner Organisation wohl eine Volksbewegung, aber unter keinen Umständen eine Kultbewegung». Begierig, sich in den Besitz des Codex aesinas zu bringen, war eher Alfred Rosenberg, noch mehr aber Heinrich Himmler, der aus der SS eine Art «germanischen Orden» gemacht hatte und, um diesen ideologisch zu untermauern, 1935 das Forschungsinstitut «Ahnenerbe» gegründet hatte. Hitler machte sich sogar über seinen Reichsführer lustig, der «diese Lehmdörfer ausgräbt und in Begeisterung gerät über jeden Tonscherben und jede Streitaxt, die er findet». Damit beweise man doch nur, so Hitler, dass «wir noch um offene Feuerstellen hockten, als sich Rom schon auf höchster Kulturstufe befand: Wie müssen die heutigen Römer verächtlich über diese Enthüllungen lachen!»
    Trotzdem hatte Hitler es, vielleicht auf Drängen Himmlers, für opportun gehalten, Mussolini um den Codex aesinas zu bitten. Doch die Zusage Mussolinis verwandelte sich eine Weigerung, als ihm bei der Ankündigung, ein so wichtiges Stück des römischen Erbes sollte außer Landes gebracht werden, und sei es auch zugunsten des mächtigen deutschen Verbündeten, ein Sturm der Entrüstung entgegenschlug. Hinzu kam, dass Mussolini selber schon seit langem die Aufwertung nationaler Kulturschätze forderte, und so beschloss er, das Hitler gegebene Versprechen zu brechen, worauf dieser nicht einmal reagierte.
    Himmler aber wollte nicht auf seinen Wunsch verzichten. An der Germania interessierte ihn vor allem der berühmte und umstrittene Passus im vierten Kapitel, wo Tacitus sich der Meinung derer anschließt, «die glauben, dass die Stämme Germaniens in keiner Weise durch eheliche Verbindungen mit anderen Völkern verfälscht und dass sie ein eigenwüchsiges, unvermischtes Volk von unvergleichlicher Eigenart sind» (propriam et sinceram et tantum sui similem gentem) . Auch das, was Tacitus sofort in kritischer Absicht hinzufügt («hünenhafte Leiber, die freilich nur zum Angriff taugen»), und andere Stellen, die ein primitives Volk beschreiben, erschien Himmler als ein positives Bild. Dank der Vermittlung des deutschen Botschafters in Rom, Hans Georg von Mackensen, erhielt Rudolph Till, einer der Latinisten des «Ahnenerbes», die Gelegenheit, den Codex aesinas einzusehen und ihn für eine Faksimile-Ausgabe abzufotografieren. Danach wurde der kostbare Kodex dem Grafen Balleani zurückerstattet. Till veröffentlichte seine wissenschaftliche Ausgabe der Germania (Handschriftliche Untersuchungen zu Tacitus’ Agricola und Germania ,
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