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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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nur kennenlernen«, sagte Rico schließlich. »Den
berühmten Schriftsteller und den findigen Anwalt. Es ist mir ein Vergnügen.«
    »Mit welcher Beweisführung lassen Sie uns laufen?«, fragte Werner.
    »Wieso laufen lassen? Wieso Beweisführung? Welche Beweisführung?
Beweisen müssen wir nur, wenn eine Straftat vorliegt. Aber sehen Sie eine
Straftat, in die Sie beide verwickelt wären, Herr Rechtsanwalt? Keiner hat Sie
angezeigt. Es ist niemand zu Schaden gekommen. Es ist auch kein materieller
Schaden entstanden, im Gegenteil. Ein Kind, das seinen einzigen Verwandten
verloren hat und allein auf sich gestellt war, hat lauthals Unterstützung
erhalten. Und zwar ausschließlich durch Ihre Initiative, meine Herren! Zuerst
kam eine großzügige Spende vom Dirndl-Gachinger, dann vom Verband italienischer
Schmuckhändler, zuletzt eine Zusage von der Inhaberin des Salon Kitty, sobald
der Brandschaden reguliert sei. Ihnen …«, Rico sah von Hadi auf Werner und
wieder zurück, »dürften die Namen ja bekannt sein.«
    Rico zupfte sich gewohnheitsmäßig die Krawatte zurecht, bis er sich
bewusst gemacht hatte, dass er keine trug. »Dazu wurde in einer ganzen Reihe
von Leserbriefen eine positive Meinung über Sie geäußert, und weitere
Patenschaften für das Everl können aus dieser Richtung erwartet werden.«
    Rico hustete und stellte sich in Positur. »Nach alldem kann ich
keine Straftat erkennen, demzufolge ist auch keine Beweisführung nötig. Alles
ist auf null zurückgedreht.«
    Er gestattete sich ein karges Lächeln. »Sie sind ja Mitglied im
Lions Club, Herr Doktor Stuffer. Ich finde, Sie haben das Anliegen Ihrer
Vereinigung sehr pragmatisch umgesetzt. Tu Gutes und rede nicht darüber. Jetzt
müssen Sie beide aber aufpassen, dass man Ihnen nicht noch ein Sowiesokreuz
oder einen Irgendwasverdienstorden um den Hals hängt. Pfüa God, meine Herren!«
    Joe Ottakring merkte, als er heimkam, sofort, dass das
Gartentürl offen stand. Es schwankte im leichten Wind vor und zurück, ohne zu
quietschen. Er hatte die Scharniere erst kürzlich geölt. Nun fragte er sich, ob
er vergessen hatte, den Riegel vorzuschieben. Er wusste es nicht mehr.
    Er sah den Kiesweg zum Haus hinauf und hinunter. Die Märzenbecher
waren fast verblüht, die Tulpen rührten sich schon. Das war seine Welt: Sein
Haus, sein Garten, die schmucken und die jodelnden Häuser entlang der Straße,
nicht weit weg der Schmiedwirt in der Kurve mit seinem Biergarten, der bald
loslegte, und über die Häuser ragte der Turm der Kirche, neben der er beim
Dorfkramer sein Weißbier bezog.
    Drüben nach Süden hin senkten sich Wald und Wiesen ins Inntal,
umsäumt von Heuberg, Kranzhorn und dem Wendelsteinmassiv. Dahinter stiegen die
Berge an und leuchteten bis hin zum Zahmen und zum Wilden Kaiser.
    Joe Ottakring seufzte, holte die Post aus dem Kasten, stieg die drei
Stufen zur Haustür hinauf, drehte den Schlüssel um, sah die Post durch und
hatte sofort den Duft in der Nase, der ihm so vertraut war.
    Doch bevor er dazu kam, ihn näher zu identifizieren, hörte er eine
vertraute warme Stimme aus dem Obergeschoss.
    »Hallo, mein Herr! Sie werden im Schlafzimmer verlangt!«
    Sein Herz machte einen Luftsprung. Vorsichtig ging er die knarrende
Treppe hoch. Auf Zehenspitzen trat er ins Schlafzimmer. Im Bett, bis zum Hals
zugedeckt, lag Lola. Seine Lola! Bevor er etwas sagte, schlich er ins Bad und
riss sich die Kleider vom Leib. Dann ging er wieder hinein und schlüpfte zu ihr
unter die Decke. Sie schmiegte sich eng an ihn.
    »Liebst du mich noch?«, flüsterte sie.
    »Am liebsten den ganzen Tag«, gab er zurück.

Anmerkung des Autors
    Na prima, liebe Leserinnen und Leser. Jetzt haben Sie doch
tatsächlich bis zum Schluss durchgehalten. Trotz meiner eindringlichen
Warnungen. SAKRAMENTISCH ! finde ich das.
    Ich hatte beim Niederschreiben dieser Geschichte lange Zeit den
Eindruck, sie würde so enden, wie sie am Anfang begann. Nämlich traurig,
deprimierend, wenig ermutigend und noch viel weniger erheiternd. Daher meine
mehrfachen Warnungen. Ist doch klar, wenn dem Ottakring die Frau wegläuft, wenn
auch noch der Artur sterben muss und das Everl ganz allein auf der Welt steht.
Das sind ganz schreckliche Dinge, die einen Menschen selbst beim Lesen
erdrücken können, finden Sie nicht auch?
    Doch es ist, wie es ist. Kaum sind Frauen im Spiel, dreht sich die
Feder respektive die Tastatur zur anderen Seite und alles wird gleich schöner,
besser, freundlicher, schneller, größer.
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