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Sakramentisch (German Edition)

Sakramentisch (German Edition)

Titel: Sakramentisch (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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Roll« am knackigen
Hintern zu lesen), Leinenbeinkleider mit Paillettenapplikationen, gerüschte
Baumwollhemden mit Stehkragen für den richtigen Mann. Die Weiberleit stecken
die reizenden Füßchen in Schnürstiefel, die bis übers Knie reichen und aus
Pornofilmen stammen. Sie werfen sich bevorzugt in ärmellose Wämser aus dem Film
»Die Wanderhure« und tragen aufgebauschte Röcke wie bei »Mainz, wie es singt
und lacht«. Beispielhaft auf der Münchner Wiesn an den Spielerfrauen des FC  Bayern München zu bewundern.
    Kleidung der beschriebenen Art bietet jedes bessere Trachtengeschäft
an. In dem Dorf, in dem dieser Roman spielt, war der Platzhirsch dafür der
Dirndl-Gachinger.
    Beim Dirndl-Gachinger tauchten am erwähnten übernächsten Samstag
gegen Geschäftsschluss, kurz bevor die Rollläden heruntergelassen wurden,
urplötzlich drei Weihnachtsmänner auf. Sie kamen nicht im Hummer angerauscht,
sie landeten nicht im Hubschrauber und fuhren nicht auf dem Schlitten vor. Sie
waren einfach da. Drei Nikoläuse mit langem weißen Bart in einer roten, mit
weißem Pelz besetzten Kutte. Einer hatte einen großen Geschenksack über die
Schulter geworfen. Alle drei sahen sich zum Verwechseln ähnlich. Selbst die
Gesichter waren gleich. Alte, freundliche Männergesichter mit gemütlichen
Pausbacken, rötlicher Nase und überdimensional großen Ohren. Nur in der Körpergröße
unterschieden sie sich geringfügig.
    Es waren drei. Einer blieb draußen, lächelte freundlich in die Menge
und stand Schmiere. Das war, wie Sie schon zu ahnen beginnen, der Artur. Er
hatte sich lange Zeit geziert, bei dem Coup überhaupt mitzumachen. Doch
schließlich behielten Teamgeist und seine solidarische Haltung die Überhand. Es
ging ja schließlich um sein Geld. Mitgefangen, mitgehangen.
    Die anderen beiden wurden unter dem interessiert beifälligen
Gemurmel der übrig gebliebenen Warteschlange vorgelassen und betraten betont
gemächlich das Geschäftslokal vom Dirndl-Gachinger.
    Das Erste, was der Größere tat, war, sich das weiße Schild zu
angeln, das links von der Tür an einem Kleiderhaken hing. »Vorübergehend
geschlossen« stand in schwarzer Schrift darauf. Dieses Schild hängte er an den
Plastikhaken außen an die Glastür.
    Die Kundinnen im Laden – es waren eine Handvoll – strahlten und
freuten sich über die Begegnung und auf die Bescherung.
    Der Gachinger Wast, der Inhaber, strich sich durchs sorgfältig
gegelte Haupthaar. Er war ein wuchtiger Mann in den Vierzigern, bekleidet mit
allem, was sein Laden hergab. Eine wandelnde Werbetafel für sein Geschäft.
Selbst Joschi, sein Hund unterm Ladentisch, ein übergroßer Schäfermischling,
trug einen Trachtenmix. Laibi um den Bauch und Stutzen an den Haxen.
    Dieser Gachinger Wast jedenfalls strahlte nicht beim Anblick der
Weihnachtsmänner. Er wunderte sich. Er wunderte sich noch mehr, als der andere
Weihnachtsmann – ein Untersetzter mit auffallend schmalen Schultern, sollte der
Wast später zu Protokoll bringen – ihm eine Handgranate unter die Nase hielt.
Eine amerikanische Granate vom Typ Mk 2. Auch Handgranaten können
Spitznamen haben. Diese hieß Pineapple, Ananas, wegen ihrer gerippten
olivfarbenen Oberfläche. Das alles erkannte der Wast mit einem Blick, denn er
hatte bei den Gebirgspionieren gedient, wo man etwas vom Sprengen verstand. Deshalb
konnte er auch beurteilen, was die anrichten konnte, wenn sie hier drinnen
losging. Kollateralschaden, fachmännisch ausgedrückt. Ein Schlachthaus.
    »Geld her! Alles«, zischte der Mann. Er brüllte nicht, es klang eher
wie ein Sandstrahlgerät, das über Stein fährt.
    Mit vor Schreck geweiteten Augen spähte der Wasti auf die Hand des
Räubers, auf die rechte, die mit der Granate. Der Bügel ruhte fest in der
Handinnenfläche. Der Sicherungssplint befand sich an seinem Platz. Würde er
gezogen, würde der Schlagzünder aktiviert und die Ladung nach drei Sekunden
explodieren, wenn auch der Bügel frei war. Er wagte nicht daran zu denken, was
passierte, wenn der Typ nervös würde.
    Der Mund des Weihnachtsmanns bewegte sich beim Sprechen nicht. Seine
Stimme klang, als käme sie aus einem hohlen Baumstamm. Jetzt erst bemerkte der
Wasti, dass sich beide Figuren eine Vollgummiweihnachtsmannmaske übers Gesicht
gestülpt hatten. Er wurde blass. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen, was
hier vor seinen Augen abging. Ein Überfall! Ein Dirndlüberfall, um genau zu
sein. Im Geist machte er Kassensturz. Heute war der beste Tag
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