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Sakrament der Lust

Sakrament der Lust

Titel: Sakrament der Lust
Autoren: Leah Moorfeld
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    Es vergeht etwa eine Stunde, in der ich ziellos durch die Straßen umherirre. Da platschen plötzlich dicke Tropfen vom Himmel. Ich habe nicht einmal auf die Wolken geachtet, die sich zu einer immer dunkler werdenden Decke zusammenballten. Ich suche die Straße nach einem Unterschlupf ab, kann aber nirgends etwas entdecken. Ich laufe schneller auf den Dorfplatz zu, in der Hoffnung, dort noch ein schützendes Dach zu finden. Schnell verstärkt sich der Regen zu einem kräftigen Schauer, als ich gerade die Dorfkirche erreiche. Ich rüttele an der massiven Flügeltür, doch sie bleibt verschlossen. Ich renne schon leicht durchnässt zu einer Seitentür und diese gibt meinem Ziehen tatsächlich nach. Frische, kühle Luft strömt mir entgegen, als ich eintrete. Die Seitentür fällt knarrend hinter mir ins Schloss. Zu meiner Linken stapeln sich neben einem Weihwasserbecken kleine brennende Teelichter. Ich habe mich noch nie sehr mit Religion beschäftigt und ich war etwa fünf Jahre alt, als ich das letzte mal eine Kirche betrat - und das auch nur, weil ich meine Eltern so damit genervt hatte, dass ich das Gebäude unbedingt mal von innen sehen wollte. Meine Eltern sind vor geraumer Zeit nach Australien ausgewandert, ich bin hier geblieben, noch immer im selben Dorf, in dem ich meine gesamte Kindheit verbracht habe.
    Diese Kirche hier habe ich schon viele tausend male gesehen und ihre Glocken läuten gehört, aber es ist heute genau das zweite mal in meinem Leben, dass ich hinein gehe. Von dem kleinen Vorraum, in dem ich mich befinde, sehe ich durch eine Glastür ins große Kirchenschiff hinein – es ist menschenleer. Sakrale, mit Gold verzierte Gemälde schmücken Wände und Decken und um den Altar herum stehen zwei große Vasen mit bunten Blumensträußen darin. Wie die Blumen wohl riechen? Ich öffne die Glastür und schreite andächtig über den Steinboden. Meine Schritte hallen leise von den Wänden wider. Ich kann mich den mystischen, ehrfürchtigen Gefühlen nicht entziehen, die das Gebäude mit seinen hohen, geschwungenen Decken, den bunten Kirchenfenstern und den riesenhaften brennenden Kerzen in mir auslöst. Ich gehe zum Altar und sauge den Duft der Blumen in mich hinein. Sie strahlen eine Lebendigkeit aus, die eine Lücke in meine taube Schutzschicht reißt, welche sich über meiner Seele ausgebreitet hatte. Aus dieser Öffnung fließt langsam wieder der Schmerz an die Oberfläche. Er wälzt sich über mich und treibt die Tränen in meine Augen. Doch noch bevor er ganz von mir Besitz ergreifen kann, betritt jemand durch die knarrende Seitentür die Kirche. Hinter der Glastür sehe ich eine alte Frau. Sie taucht ihre Hand ins Weihwasser und bekreuzigt sich. Am liebsten möchte ich mich jetzt wieder verkriechen. Ich will niemandem begegnen und gehe an der Wand entlang bis zu einer Kabine aus Holz. Ich setzte mich auf die Bank darin und ziehe den Vorhang zu. Ich warte. Alles bleibt ruhig. Ich äuge vorsichtig durch den Vorhang, ob die Frau hereinkommt doch nichts geschieht. Ich höre erleichtert, wie die schwere Kirchentür ins Schloss fällt. Gerade, als ich den Vorhang wieder zurückzuziehen will, beginnt plötzlich eine männliche Stimme ganz in meiner Nähe zu sprechen. Vor Schreck falle ich schier von der Bank.
    «Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit.»
    Mein Herz springt förmlich durch die Brust, als ich starr vor Schreck erkenne, dass ich in einem Beichtstuhl gelandet bin. Natürlich! Dass ich das nicht gleich gemerkt habe! Aber ich kenne mich eben nicht aus mit Kirchendingen. Ich bringe keinen Ton über die Lippen und am liebsten will ich sofort wieder flüchten, aber da war etwas in dieser tiefen Stimme, das mich gefangen hält – eine Ruhe und wohltuende Wärme, die mich daran hindert, einfach wieder abzuhauen. Sicherlich irritiert den Priester mein langes Schweigen. Hinter dem engmaschigen Holzgitter ist es so dunkel, dass ich nichts von ihm erkennen kann.
    «Möchten Sie die Beichte ablegen?»
    «Äh, nein!», stottere ich verlegen.
    «Habe ich mir schon gedacht!»
    «Wieso?», platze ich heraus.
    «Weil sich der Beichtende normaler Weise bekreuzigt, sobald er den Beichtstuhl betritt!»
    «Ach so!»
    Ich kenne mich einfach nicht aus mit so was.
    «Weshalb sind Sie dann hier?»
    «Eigentlich nur zufällig! Ich habe Schutz vor dem Regen gesucht!»
    «Im Beichtstuhl?», fragt er verwundert.
    «In der Kirche! Im Beichtstuhl
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