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Sakrament der Lust

Sakrament der Lust

Titel: Sakrament der Lust
Autoren: Leah Moorfeld
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dem Beichtstuhl. Draußen ist es bereits dunkel und ich gehe langsam durch die von Kerzen mystisch beleuchtete Kirche. Der Priester kommt nicht heraus und als ich mich noch mal nach dem Beichtstuhl umsehe, bevor ich die Kirche verlasse, ist sein Vorhang noch immer vorgezogen.

Die Stimme
    Die folgenden Tage bekomme ich meine Traurigkeit wieder einigermaßen in den Griff, indem ich den Rat des Priesters befolge und mir eine Stunde am Tag Raum gebe, um intensiv um Paul zu trauern. Natürlich ist er nicht gestorben, aber ich weiß, dass ich mich damit abfinden muss, dass es mit ihm endgültig vorbei ist, deshalb erscheint mir 'trauern' der passende Ausdruck. Nach der Trauerstunde fühle ich mich ausgeweint und reingewaschen.
    Die restliche Zeit male ich oder widme ich mich dem Haushalt – mein Haus benötigt mal wieder dringend einen Frühlingsputz. Ich tendiere nämlich eher zu kreativem Chaos, als zu übertriebenem Ordnungssinn. In meiner Malecke lasse ich das Durcheinander noch gelten, aber der Rest der Zimmer sollte zumindest aufgeräumt wirken. Und wenn Lisa am Freitag zurückkehrt, will ich, dass alles besonders schön ist und gut duftet. Für die wirklich dringend nötige Grundreinigung verbleiben mir also noch drei Tage. Ich habe das Haus von meinem Großonkel geerbt, der ein relativ bekannter Maler war – ich schätze, mein Talent zu Malen stammt von dieser Seite. Schon bevor ich ganze Sätze sprechen konnte, habe ich als Kind versucht, alles um mich herum abzumalen. Dieser Drang hat sich durch mein Leben gezogen bis das Hobby zum Beruf geworden ist. Allerdings bin ich mit meiner eigenen Kreativität nicht so erfolgreich, dass ich Ausstellungen damit fülle. Vielmehr verdiene ich meinen Lebensunterhalt mit Auftragsarbeiten – meistens Reproduktionen berühmter Kunstwerke, Personenportraits oder Collagen. Letzte Woche wünschte ein Kunde, dass ich die Mona Lisa mit dem Gesicht seiner Ehefrau male. Besonders beliebt für Reproduktionen sind die Impressionisten wie Monet oder auch Van Goughs Sonnenblumen. Im Augenblick liege ich gut in der Zeit mit meinen Aufträgen, deshalb kann ich es mir leisten, mich etwas mehr um das Haus zu kümmern. Mein Großonkel nutzte den größten Raum ausschließlich als sein Atelier. Da das Haus aber nur über drei Zimmer verfügt, eines  meinen Schlafzimmer und das andere Lisas Reich ist, habe ich das Wohnzimmer durch japanische Wände in zwei Bereiche aufgeteilt – eine gemütliche Couchlandschaft auf der einen Seite und mein chaosdurchflutetes Atelier auf der anderen. Lisas Zimmer und die Wohnküche befinden sich unten, mein Schlafzimmer und das Bad sind im ersten Stock. Alle Zimmer und auch Küche und Bad fallen vergleichsweise groß aus, aber das Wohnatelier, wie ich es nenne, gleicht fast einer Halle. Es zieht sich über zwei Stockwerke, die eine Front und der untere Teil des Daches sind komplett verglast und geben den Blick auf den zugewachsenen Garten frei. Zu Zeiten meines Großonkels wuchs hier englischer Rasen und die Büsche waren kunstvoll zu lebendigen Skulpturen zurechtgeschnitten. Da ich dazu überhaupt keine Lust verspüre und den Garten eher natürlicher liebe, habe ich alles einfach lustig weiter wachsen lassen. Wenn ich aber jetzt hinaus sehe, nehmen die Brennnesseln und Brombeerhecken, die sich hier natürlich angesiedelt haben, doch etwas überhand. Mindestens einen Tag werde ich wohl auch dem Garten widmen müssen. Da ich ein eigenes Haus besitze, muss ich nur das Geld für die Nebenkosten und den täglichen Unterhalt für Lisa und mich verdienen. Von Paul will ich kein Geld, nur wenn er mir freiwillig was für Lisa dazu gibt, nehme ich es an. Ich bin nicht reich, aber bisher kam ich mit meiner Arbeit immer gut über die Runden. Nach drei Tagen glänzt das Haus wie noch nie – zumindest seit ich es bewohne. Die Hausarbeit ist auch ein gutes Mittel, um mich von meinem Kummer abzulenken. Ich habe Blumensträuße gekauft und im Garten ebenfalls bunte Blumen gepflanzt, auch wenn ich dort auch nur einen Teil des Gestrüpps beseitigen konnte. Neben meinem Kummer ist da aber noch etwas, das mich nicht los lässt! Immer wieder muss ich an das Gespräch mit dem Priester denken. Fortwährend höre ich, wie seine warmen Worte in meinem Kopf mit mir sprechen. Ja, dieser Mann hat mich sehr beeindruckt, so beeindruckt, dass ich nicht aufhören kann, an ihn zu denken. Ein mal gehe ich sogar wieder in die Kirche und schaue im Beichtstuhl nach ihm, aber an diesem Tag ist
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