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Sakrament der Lust

Sakrament der Lust

Titel: Sakrament der Lust
Autoren: Leah Moorfeld
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bin ich weil...!»
    Ich stocke, denn eine plausible Ausrede kommt mir nicht in den Sinn. Ich beschließe, die Wahrheit zu erzählen. Der Priester wartet geduldig, bis ich die Sprache wieder finde.
    «Ich wollte mich verstecken, um alleine zu sein!»
    «Das tut mir leid!»
    «Was?», frage ich verwundert.
    «Dass ich Sie so erschreckt habe und Sie hier drin meine Gesellschaft erdulden müssen!»
    Es fühlt sich gut an, mit ihm zu reden - einem völlig fremden Menschen, den ich nicht einmal sehen kann! Ich möchte hier bleiben und weiter seine warme Stimme hören.
    «Schon OK!», antworte ich verlegen.
    «Möchten Sie mir erzählen, weshalb Sie alleine sein wollten?»
    Seine Stimme klingt noch immer warm und mitfühlend.
    «Haben Sie denn Zeit für so was?», frage ich unsicher.
    «Natürlich! Ich habe alle Zeit der Welt für Sie!»
    «Danke!», sage ich kurz, dann schweige ich eine Weile. «Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll!»
    «Sie haben großen Kummer, den Sie in sich vergraben!»
    «Ja!», flüstere ich heiser.
    Ich fühle mich sofort verstanden und eine Träne bahnt sich ihren Weg über meine Wange.
    «Mein Exmann ist seit einem Jahr mit einer anderen Frau zusammen.»
    «Und Sie lieben ihn noch immer sehr!»
    «Ja!» Ich schlucke und suche nach den richtigen Worten. «Er ist wie eine giftige Droge! Ich weiß, dass sie mir schadet und ich komme dennoch nicht davon los!»
    «Die meisten Menschen haben das Problem, dass sie Dinge nicht lassen können, die ihnen schaden, und wenn es nur darum geht, zu viele Süßigkeiten zu essen...»
    «Dieses Problem habe ich auch, besonders dann, wenn es mir schlecht geht... aus Frust sozusagen. Deshalb habe ich im letzten Jahr auch ein paar Pfunde zu viel auf die Rippen bekommen.»
    Was rede ich denn da? Wie komme ich dazu, einem wildfremden Mann, diese privaten Dinge zu erzählen? Ich schweige wieder, um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. In der Stille vermisse ich jedoch die wohltuende Stimme des Priesters.
    «Was hat Sie heute so aus der Bahn geworfen?», fragt er schließlich.
    «Ich habe wieder mit ihm geschlafen!»
    «Und das hat alte Gefühle aufgewühlt und die verheilten Wunden aufgerissen!»
    Ich atme tief durch. Es tut mir gut, so verstanden zu werden.
    «Ich fühle mich so leer und wund! Und ich habe Angst, in der Traurigkeit zu versinken – nicht nur wegen mir – ich habe auch eine Tochter.»
    «Trennungen sind immer besonders schlimm, wenn es gemeinsame Kinder gibt – sie schaffen unwillkürlich ein verbindendes Glied, dass sich nicht so leicht ignorieren lässt. Es ist gut, dass Sie sich nicht einfach der Traurigkeit ergeben, damit Sie nicht in eine Depression abgleiten. Dennoch müssen Sie den Schmerz zulassen, dann werden irgendwann auch die Wunden verheilen. Wählen Sie eine Stunde des Tages aus, die Sie nur ihrer Trauer widmen. Öffnen Sie dazu symbolisch ihr Herz mit einer Geste. Dann weinen Sie, heulen Sie, jammern Sie und schlagen Sie mit den Fäusten auf ein Kissen ein, um dem Frust in Ihnen ein Ventil zu geben. Wichtig ist, dass Sie nichts verdrängen und ihrer Trauer so viel Raum wie möglich geben. Danach schließen Sie ihr Herz wieder symbolisch mit einer Geste und gehen dann zum Alltag über.»
    Ich schweige. Sein Rat fühlt sich gut an und in jedem seiner Worte liegt so viel Wärme und Trost, dass ich mich von diesem Mann in den Arm genommen und gestreichelt fühle. Wer ist er? Ein ganz normaler Priester? Spenden alle Priester so viel Trost und Mitgefühl, oder ist er eine Ausnahme? Ich versuche, mir den Mann hinter dem Holzgitter vorzustellen und ertappe mich dabei, wie ich vor meinem geistigen Auge einen attraktiven Mann meines Alters kreiere. Wahrscheinlich ist das sowieso Unsinn – vermutlich ist er kahlköpfig, dickbäuchig, untersetzt und trägt einen langen Vollbart.
    «Alles in Ordnung?», fragt er nach einer Weile des Schweigens – kein unangenehmes Schweigen. Ich fühle mich in seiner Gegenwart nicht gedrängt zu sprechen.
    «Ja! Danke für alles!», antworte ich. Es gibt nicht viel mehr zu sagen, aber am liebsten möchte ich noch bleiben, etwas über diesen Mann erfahren.
    «Sind Sie schon lange Priester?»
    «Seit sieben Jahren!»
    «Und sind Sie glücklich mit ihrer Arbeit?»
    Er lacht leise auf – mit einem Lachen, das mich umhüllt, wie eine warme Wolldecke in einer kalten, sternklaren Nacht.
    «So war das nicht verabredet, dass Sie nun Fragen an mich stellen!»
    «Ich muss doch wissen, was das für ein Mensch ist, dem
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