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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums
Autoren: Michael Köhlmeier
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es dir ersparen, das Röckchen zu heben. Gib zu, du bist Achill.«
    Nun war auch Achill dabei. Dem Feldzug gegen die Stadt Troja stand nichts mehr im Wege. Die Helden waren beisammen: Idomeneus war von Kreta gekommen, Diomedes von Argos, Odysseus aus Ithaka, aus Pylos der alte Nestor, der telamonische Ajas war da, dieses Urvieh, ein Riese, wahrscheinlich gute 1,75 Meter groß, die Menschen waren damals kleiner als wir heute. Der giftige kleine, der lokrische Ajas war da; Patroklos, Philoktet und viele mehr … Man traf sich in Aulis, von Aulis stachen die Schiffe ostwärts ins Meer.
    Dieser Krieg – man weiß eigentlich gar nicht so genau, was in den ersten neun Jahren geschah, es war ein Scharmützel nach dem anderen, ein Angriff nach dem anderen, wieder Rückzug, dann wieder Feste gefeiert … Neun Jahre sind mit kriegerischem Geschehen vergangen, die Stadt Troja hat sich nicht einnehmen lassen, sie war eine der am besten befestigten Städte der Antike. Kein Wunder, ihre Mauern waren von Poseidon und Apoll persönlich erbaut worden, aber das ist eine andere Geschichte. .. Jedenfalls: die Entscheidung fiel im zehnten Jahr. Genau, wie es Odysseus in seiner Pantomime am Strand von Ithaka hatte vorhersagen wollen.

Ilias
    Vom Zorn des Achill – Vom Tod des Patroklos – Vom Tod des Hektor – Von zwei großen Trauernden
     
     
    Im zehnten Jahr kam Agamemnon auf die Idee, die Tochter eines trojanischen Priesters zu entführen. Sie gefiel ihm, und er wollte sie zu seiner Pritschengenossin machen. Er war der selbstherrliche Generalissimus und wollte dieses Mädchen, das noch ein Kind war, zu seiner Geliebten machen. Er ließ sie rauben.
    Der Vater des Mädchens aber war ein Priester des Gottes Apoll, und er flehte zu seinem Gott, er möge das Heer der Griechen mit der Pest strafen, weil der General sein Töchterchen zu sich ins Bett gezogen habe. Apoll hörte das Flehen seines Priesters und schickte die Pest ins Lager der Griechen.
    Diomedes, einer der griechischen Helden, war, so heißt es, mit einer besonderen Gabe ausgestattet. Er konnte die Götter sehen, wenn sie auf dem Schlachtfeld fochten. Die Götter mischten sich nämlich in die Kämpfe ein, meistens in unfairer Weise. Diomedes empfand diese Gabe mehr als eine Belastung denn als eine Gnade. Und so sah er auch Apoll, wie er durch das Lager der Griechen schritt, wie er aus seinem Köcher die Pfeile zog, wie er den Bogen spannte … Und Diomedes wunderte sich, daß Apoll diesmal nicht die üblichen Pfeile verwendete, sondern Pfeile, die statt der Spitze einen fauligen Lappen hatten. Das waren die Pestpfeile. Wen sie trafen, der starb am Aussatz.
    Die Pest wütete furchtbar. Die Trojaner hätten nichts anderes tun müssen, als von den Zinnen ihrer befestigten Stadt aus zuzuschauen, wie die Seuche das gegnerische Heer Mann für Mann niederstreckte.
    Die Panik fuhr in die griechischen Soldaten, und sie fragten ihren Seher Kalchas: »Was ist gegen die Pest zu tun?«
    Kalchas antwortete: »Agamemnon soll das Töchterchen des Priesters zurückgeben. Wenn er es nicht tut, wird die Pest uns alle auffressen.«
    Agamemnon gab das Mädchen zurück. Es war eine Niederlage für ihn, und um nicht sein Gesicht vor der Truppe zu verlieren, und vor allem vor seinen Offizieren, vor Idomeneus, der frech auf seinen Posten schielte, sagte er: »Gut, das Mädchen habe ich zurückgegeben, aber ich hole mir dafür die Bettgenossin von dem bedeutendsten eurer Helden, und zwar von Achill.«
    Er nahm Achill seine liebste Sklavin weg.
    Wie reagierte Achill darauf? Achill reagierte mit einem Tötungsstreik. Er sagte: »Wenn das so ist, dann werde ich nicht mehr an den Kämpfen teilnehmen. Ich werde nicht mehr kämpfen, und auch mein Freund Patroklos wird nicht mehr kämpfen.«
    Zwischen Patroklos und Achill bestand eine homophile Beziehung, das kann man aus dem Homer herauslesen. Diese beiden hielten eng zusammen, sie waren innigste Freunde: Achill zog Patroklos jeder Frau vor, sie waren ein Bollwerk der Gewalt, die Trojaner zitterten allein bei der Nennung ihrer Namen, und diese beiden Freunde sagten: »Wir werden nicht mehr an den Kämpfen teilnehmen.«
    Agamemnon hatte die Ehre des Achill verletzt. Und genau an dieser Stelle setzt die Ilias des Homer ein.
    In der Übersetzung von Johann Heinrich Voss:
     
    »Singe den Zorn, ο Göttin, des Peleiaden Achilleus,
    Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren
    Jammer erregte.
    Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Hades
    Sendete, aber
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