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Sagen aus Hessen

Sagen aus Hessen

Titel: Sagen aus Hessen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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seinem Meister mit Fleiß die Geheimnisse seiner Kunst ab. Der jüngere machte sich lieber bequeme Tage. So kam die Zeit der Wanderschaft heran. Der ältere ließ sein Vermögen zu Hause in Mutters Kasten, tat sich fleißig in der Welt um, lernte noch manchen Kunstgriff in seinem Handwerk dazu, war tüchtig und sparsam und kehrte drei Jahre später geachtet als Meister zurück.
    Der jüngere Bruder zog auch in die Welt, steckte aber das Gold der Frau Holle in die Tasche, lebte auf großem Fuß und hatte sein Geld bald in lustiger Gesellschaft vertan. Als er dann unbelehrt zurückkam, dachte er: »Gleich gehst du wieder ins Schicksalsstübchen und holst dir Nachschub,« lief auf den Burgberg, suchte in allen Winkeln die verborgene Kammer, rief nach der Spinnerin und wollte und wollte nicht unbeschert weichen. Als er aber gar nicht aufhörte mit seinem Bettelgeschrei, knallte ihm plötzlich eine Backpfeife in das Gesicht, daß ihm alle Sinne vergingen und er den Abhang hinunterkollerte. Zu Hause erschien ein roter Fleck auf der geschlagenen Wange; der wollte vor keiner Seifenlauge vergehen und hat sich auch auf Kinder und Kindeskinder fortgeerbt als ein Zeichen der Torheit.

Das Schloß in Darmstadt
    Der Erbauer des alten Schlosses in Darmstadt gab – wie er denn ein sehr gütiger und gern vertrauender Herr war – dem Baumeister, der dasselbe aufrichten sollte, einen großen Schatz, um damit alle Kosten des Baus zu bestreiten. Als das Schloß nun so weit fertig war, wie man jetzt sieht, vergrub der Meister den Rest des Schatzes und entfloh, nachdem er noch einen guten Teil davon zu sich gesteckt hatte. Als er später in der Fremde starb, fand er keine Ruhe im Grab; er muß jede Nacht an das Schloß nach Darmstadt, wo er an der Mauer kratzt, dort wo der Schatz liegt. Erst wenn der wiedergefunden ist, wird der Geist Ruhe finden.

Das stille Volk zu Plesse
    Auf dem hessischen Bergschloß Plesse sind im Felsen mancherlei Quellen, Brunnen, Schluchten und Höhlen, wo der Sage nach Zwerge wohnen und hausen sollen, die man das stille Volk nennt. Sie sind schweigsam und guttätig, dienen den Menschen gern, die ihnen gefallen. Geschieht ihnen ein Leid an, so lassen sie ihren Zorn doch nicht am Menschen aus, sondern rächen sich am Vieh, das sie plagen. Eigentlich hat dies unterirdische Geschlecht keine Gemeinschaft mit den Menschen und treibt inwendig sein Wesen, da hat es Stuben und Gemächer voll Gold und Edelgestein. Steht ihm ja etwas oben auf dem Erdboden zu verrichten, so wird das Geschäft nicht am Tage, sondern bei der Nacht vorgenommen. Dieses Bergvolk ist von Fleisch und Bein, wie andere Menschen, zeugt Kinder und stirbt; allein es hat die Gabe, sich unsichtbar zu machen und durch Fels und Mauer eben so leicht zu gehen, als wir durch die Luft. Zuweilen erscheinen sie den Menschen, führen sie mit in die Kluft und beschenken sie, wenn sie ihnen gefallen, mit kostbaren Sachen. Der Haupteingang ist beim tiefen Brunnen; das nahgelegene Wirtshaus heißt: zum Rauschenwasser.

Den Mörder verraten die Disteln
    Bei Hohenzell, einem Dorf in der Nähe der Stadt Schlüchtern, liegt ein Acker, der »das Beinert« heißt. Dieser Acker liefert zwar auch Getreide, aber heute noch wie von jeher zugleich eine Menge Disteln, die durchaus nicht auszurotten sind. Die Bauern von Hohenzell erzählen sich darüber folgendes: Als einmal in alter Zeit ein vermögender Bauer sich auf dem Acker befand, der ihm gehörte, kam ein Krämer dahergegangen, welcher ein Kästchen mit Geld trug. Der Bauer sah sich überall um und als er weit und breit keinen Menschen sah, griff er den Krämer an und obgleich dieser beweglich um sein Leben bat, so achtete der Bauer doch nicht darauf, sondern sagte zu ihm: »Du mußt sterben! « Der Krämer entgegnete: »Wenn du mich tötest, so werden die Disteln auf deinem Acker dich einst verraten.« Der Bauer sagte lachend: »Das ist sehr dumm gesprochen; Disteln haben keinen Mund.« Und er ermordete den Krämer, verscharrte ihn auf dem Acker und nahm das Geldkästchen mit sich. Aber der Mörder wurde seit dieser Zeit tiefsinnig; wenn er auf den Acker kam, schienen ihm die Disteln darauf immer größer und drohender zu werden und wenn sie im Abendwind schwankten, meinte er zu hören, wie sie ihm zuzischten: »Du bist ein Mörder!« So waren schon mehrere Jahre vergangen; der Bauer hatte Weizen auf diesem Acker aufgebunden und einige Nachbarn, die ihm arbeiten halfen, betrachteten ihn kopfschüttelnd, weil er
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