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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul
Autoren: Jean Paul
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geniess’ ich Götterwonne. Abends, wenn der Mond sein Zimmer erleuchtet, phantasirt er mit wehmütigen Tönen auf dem Klavier - die immer trauriger, dumpfer, selenschmelzender werden, die so silbern in die Sel’ hinein tönen. -
    Wir sind ganz für einander geschaffen. Aber unsre Freundschaft würde dauerhafter, inniger sein, wenn unser Stand uns nicht von einander unterschied. Er ist ganz Freund, wenn wir allein sind; aber zurükhaltend und kalt, wenn er andre um sich hat. Eben die Gemütsart, die uns zu Freunden vereinigt, macht uns oft zu Feinden. Wir sind beide hizzig, aufbrausend. Eben deswegen giebt’s oft Zänkereien zwischen uns beiden. Aber diese kleinen Uneinigkeiten sind nur da, um die erkaltende Freundschaft wieder anzufachen - wir lieben uns nie mer, als wenn wir vorher Feinde gewesen sind. Jeder wil sein Recht behaupten, sich zu rächen; und doch ist ieder geneigt, zu verzeihen, wenn nur einer den Anfang machte. Wenn wir uns entzweien, so werden wir leicht wehmütig: hüten uns aber, es einander merken zu lassen. Dies ist getreues Gemälde der Natur!
    - — Aus diesem allem schliess’ ich: es ist ser schwer, einen Freund, den man vorher war liebte, zu hassen. Man hast nur zum Schein.
     
     
    den 28. Jul.
    Mein Freund wil mich iezt unter den Hundstagen mit zu seinen Eltern nemen. In ein par Tagen werden wir abreisen. Ich verspreche mir glükliche Tage. O herlich ist Freundschaft! Guter! stelle dir die Welt in al ihrer Herlichkeit und Pracht vor, die sie haben würde, wenn alle einander liebten, wie ich, du, und Karl. Wir würden keinen Himmel verlangen; denn wir hätten ein Paradies schon auf der Erde. Und wir Menschen beklagen uns doch oft über die Vorsehung, und bedenken nicht, daß wir selbst unsre grösten Peiniger, Henker sind. - Lebe wol, Freund! bald werd’ ich dir schreiben.
     
     
    den 1 August.
    Gestern kam ich mit meinem Freund in seiner Wohnung an. Eine der vergnügtesten Reisen, die ich ie getan habe! Abends um 6. Ur gieng ich mit ihm ab. Unter freundlichen Gesprächen erreichten wir’s Dorf. Gerade gieng die Sonn’ unter - o Freund! dies war ein Schauspiel! würdig des grossen Weltschöpfers! - Eine Röte verbreitete sich über den halben Himmel, die kein Pinsel des Malers ie erreicht hat - so schön vermischten sich die weisen, duftigen Wolken mit dem goldnen, rötenden Sonnenstrale. Tausend goldne Fliegen, tausend kleine Tiergen spielten unbesorgt im lezten Lichtstral - sie freu’ten sich der Wärme, die ihnen so wol behagte. Und wir - wir Menschen nemen so selten die Woltaten, die aus unsers guten Gottes milder Hand fliessen, on’ Argwon, one Räsonniren on - Wenn wir doch alles mit warmen Herzen, unbesorgt, genössen, was uns dazu gegeben ist! — Durch eine lange Reihe von Bäumen musten wir’s Dorf erreichen. Das Schnurren der Käfer, das Quakken der Frösch’ im nahen Teiche, das Sumsen der Mükken, das Lispeln der Bäume — alles dieses fiel uns so warm auf’s Herz! Endlich erblikten wir’s Dorf, in Linden liegen, durch deren Laub das matte Licht des Mondes durchzitterte. An der Türe der friedlichen Hütte stand meines Freundes Vater - ein erwürdiger Greis. Ruhig schmaucht’ er seinen Tabak. Mit al iener patriarchalischen Unbefangenheit, Offenherzigkeit, mit iener ungekünstelten Biederheit und Deutschheit empfieng uns der Alte und seine Gattin - weiblicher Abdruk des alten Greises! - Sie freueten sich ihren Son zu sehen; sie namen liebreich uns auf, one iene Komplimente, die kalte Heuchler, äffende Franzosen erdachten. Ein kleines Mädchen von vier bis fünf Jaren hüpfte lachend um ihren Bruder; und sah’ auf die Hände, ob sie ihr ‘was mitbringen würden. Freund! hier ist Natur! Ich leb’ hier glüklich: sei du’s auch!
     
     
    am 4. August.
    Bald wird die Glokke 12 schlagen: und ich bin noch beschäftigt, dir zu schreiben. Alles schläft schon; ich blos wache noch. Und warum? Ich komm’ eben von einem Spazziergange zurük, den ich auf dem Kirchhofe machte, welcher die Pfarwonung umgiebt. - Ich bin iezt so vol von Empfindungen, daß ich befürchtete, sie verrauchen zu lassen, wenn ich sie dir nicht gleich mitteilte. Ich sah’ unter Mondsblinkern al iene einsam zerstreute Kreuz’ auf den Gräbern der Redlichen, auf welchen ernstes Mos wuchs; iene flinkernde Todeskränze, auf denen das schimmernde Mondenlicht so sanft abpralte. Ich dachte: »Sieh’! du lebst noch und tritst mit Füssen den Staub der Brüder, die eben das waren, was du bist - und bald
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