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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Heinrich von Kleist
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erregte unter ihnen unverholene Bestürzung und dies schmerzte ihn so, daß er Marie am 10. November 1811 schrieb, „er wolle lieber zehnmal den Tod erleiden, als noch einmal erleben, was er das letzte Mal in Frankfurt an der Mittagstafel zwischen seinen beiden Schwestern, besonders als die alte Wackern dazukam, empfunden habe.“ Dennoch würde man fehlgehen, wenn man die Katastrophe vorwiegend diesem Erlebnisse im Elternhause zuschriebe. K. hatte Marien wie Anderen längst vorher den gemeinsamen Tod vorgeschlagen und sagt in jenen letzten Briefen an sie tiefbezeichnender Weise, daß Henriette „seine Traurigkeit als eine höhere festgewurzelte und unheilbare begreife.“ Endlich geben diese letzten schriftlichen Aeußerungen Kleist’s den unumstößlichen Beweis, daß die erniedrigenden politischen Zustände wesentlich zu seinem Lebensüberdrusse beigetragen haben. In dem Briefe vom 10. November an Marie heißt es „die Allianz, die der König jetzt mit den Franzosen schließt, ist auch nicht geeignet mich am Leben festzuhalten.   Die Zeit ist ja vor der Thür, wo man wegen der Treue gegen den König, der Aufopferung und Standhaftigkeit und aller anderen bürgerlichen Tugenden von ihm selbst gerichtet an den Galgen kommen kann.“
    K. und Henriette hatten ursprünglich den Plan ihrem Leben in Cottbus ein Ende zu machen, wählten schließlich aber eine düstere Gegend am Ufer des Wansees, wo K. schon 10 Jahre früher in Gesellschaft Rühle’s und Pfuel’s die sicherste Methode des Selbstmordes erörtert hatte und die ihm beim Niederschreiben der fünften Strophe seines letzten Liedes wieder vorgeschwebt zu haben scheint. Nachdem er kurz vorher seine Papiere vernichtet, kam er am 20. November Nachmittags 2 Uhr mit Henriette in einem Miethwagen in dem eine Meile von Potsdam dem Wirth Stimming gehörigen Kruge, der sich dicht am See, gegenüber dem letzten Chausseehause befindet, an. Der zu den gerichtlichen Acten genommene Bericht des Wirthes, den Bülow vollständig mittheilt, gibt die genaueste Auskunft über ihr Verhalten: sie schickten den Wagen leer zurück, aßen vergnügt zu Mittag, nahmen zwei Zimmer, gingen am See spazieren, hatten die ganze Nacht (die sie wahrscheinlich mit dem Schreiben der letzten Briefe zubrachten) Licht und schon um 5 Uhr Morgens kam Henriette herunter und bat um Kaffee. Mittags sandten sie, nachdem sie die Rechnung bezahlt hatten, einen Boten mit einem Briefe nach Berlin, „waren vergnügt und scherzhaft“, erkundigten sich, wann der Bote wol in Berlin sein könne und verlangten, man möchte ihnen gegen besondere Vergütung den Kaffee auf den schönen grünen Platz jenseits des See’s bringen lassen. „Die Dame hatte ein Körbchen, welches mit einem weißen Tuch bedeckt war, am Arme, worin wahrscheinlich die Pistolen gelegen haben.“ Als die Frau, die den Kaffee an den betreffenden Ort gebracht und Zahlung dafür empfangen hatte, etwa 40 Schritt gegangen war, fiel ein Schuß, nach etwa 30 weiteren Schritten ein zweiter, „die Frau glaubte aber, daß sie zum Vergnügen schössen, weil beide so scherzhaft und munter gewesen waren, Steine ins Wasser geworfen hatten und (wahrscheinlich um jeden Verdacht abzulenken) miteinander gescherzt und gesprungen waren.“ Endlich findet man die Unglücklichen entseelt daliegen: „Henriette in einer liegenden Stellung, hinten übergelehnt, den Oberrock an beiden Seiten aufgeschlagen und die Hände auf der Brust zusammengefaltet. Die Kugel war in die linke Brust durch das Herz und am linken Schulterblatt wieder herausgegangen. Der Herr in derselben Grube“ (K. hatte eine durch das Ausroden eines alten Baumes entstandene Vertiefung gewählt), „vor ihr knieend, hatte sich eine Kugel durch den Mund in den Kopf geschossen. Beide waren gar nicht entstellt, vielmehr hatten sie eine heitere zufriedene Miene.“ Um 6 Uhr kamen Vogel und Peguilhen von Berlin in den Krug. Ersterer war ganz untröstlich und ließ sich am anderen Morgen eine Haarlocke von seiner Frau holen. „Um 2 Uhr Nachmittags den 22. kam der Herr Hofmedicus und Polizeioffizianten von Berlin, nahmen alles zu Protokoll, ließen die Leichen nach dem kleinen Hause bringen, daselbst öffnen und untersuchen. Hiernach wurden beide in die von dem Kriegsrath Peguilhen besorgten Särge gelegt und Abends 10 Uhr in ihre Ruhestätte“ (dicht, wie sie gewollt hatten, neben dem Orte wo die Leichen gefunden worden waren) „begraben.“ In einem der von diesen Gästen des Todes im
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