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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Heinrich von Kleist
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zum wahren Dichter heran. Gleichzeitig übten die politischen Ereignisse einen mächtigen Einfluß auf ihn aus und die Bedrängniß der vaterländischen Erde zog ihn gewissermaßen von seinen abstracteren Idealen zu dieser überhaupt herab. Schon Ende December 1805 schrieb er an Rühle, zwar mit Nachlässigkeiten im Stile, aber offenbar in ungesuchtem ersten Wurf, einen Brief politischen Inhaltes, in welchem sich nicht allein ein wahrer Seherblick kundgab, sondern auch ein Muth der Ueberzeugung, der ihm, den die geringste Unverschwiegenheit brotlos machen konnte, zu hoher Ehre gereicht. Seine poetischen Arbeiten in Königsberg waren vielseitig. Er verfaßte dort die wenn auch im Hauptmotiv anstößige, doch in der Ausführung mustergültige Novelle „Die Marquise v. O.“ und einen Theil des „Michael Kohlhaas“, zu welchem Pfuel, der aus Schöttgen’s und anderen Chroniken geschöpft haben mochte, die erste Anregung gab, indem er den Stoff als für ein Drama geeignet hielt. Ferner arbeitete er an dem, wie wir wissen schon in der Schweiz erdachten „Zerbrochenen Krug“, am „Amphitryon“ und aller Wahrscheinlichkeit nach auch an der „Penthesilea“. Aus dem Staatsdienste zog er sich, wie vorauszusehen war, zurück, that dies aber, namentlich aus Rücksichten für Altenstein, unter Beobachtung gewisser Formen. Da nach den schweren Kriegsereignissen die Pension der Königin fast gleichzeitig mit der Weiterzahlung der Diäten aufhörte, gerieth er aufs Neue in Bedrängniß. Er kränkelte und seine damaligen Briefe an Ulrike ergehen sich in herzzerreißenden Stoßseufzern über die Lage des Vaterlandes. In seinen Briefen ist jedoch, bezeichnend genug, keine Spur zu finden, daß er gegenüber dieser äußersten Noth des Vaterlandes daran gedacht hätte selbst wieder Soldat zu werden; aber derselbe dichterische Egoismus, der ihn daran verhinderte, machte aus dem preußischen Lieutenant einen Herold Deutschlands. Doch bevor es dazu kam, sollten ihn seltsame Schicksale erreichen. Im Januar 1807 mit den Offizieren Pfuel, Gauvin, Ehrenberg und einer größeren Reisegesellschaft von Königsberg abgereist, um nach Berlin zu gehen, hatte er sich in Cöslin einen Paß verschafft und denselben in Damm und Stettin, wo er zuerst französische Truppen fand, visiren lassen. Nachdem die übrige Reisegesellschaft sich unterwegs getrennt und Pfuel zu seinem Glücke kurz vor Berlin den Weg nach Nennhausen zu Fouqué genommen hatte, erreichte K. mit Gauvin glücklich Berlin; hier wurden sie aber, weil sie von Königsberg kamen, K., was bei ihm ein Naturfehler war, leicht in Verlegenheit gerieth und ihr Austritt aus dem Heere als eine Fälschung angenommen wurde, auf Befehl des Generals Clarke, als vermeintliche Parteigänger kriegsgefangen nach Frankreich abgeführt und unter schlechter Behandlung in das Schloß Joux bei Pontarlier gesperrt. Den Bemühungen Ulriken’s, deren französischer Brief an den General Clarke vom 8. April 1807, sowie dessen Antwort in der Koberstein’schen Sammlung enthalten ist, verdankte K., den man anfangs hatte Noth leiden, später aber in Chalons an der Marne gleich den anderen Kriegsgefangenen frei hatte herumgehen lassen, ungefähr gleichzeitig mit dem Tilsiter Frieden seine Befreiung. Die Gefangenschaft scheint die Muse indessen nicht von seiner Seite verscheucht zu haben, denn er beschäftigte sich während derselben vorzugsweise mit der „Penthesilea“ und überhaupt mit der Vollendung der früher begonnenen Arbeiten.
    K. ging über Berlin nach Dresden. Er war unterwegs auf einem Gute in der Lausitz mit Ulrike zusammengekommen und hatte ihr Vorschläge gemacht sich gemeinsam mit ihr niederzulassen; aber wenn sie schließlich auch fühlen mochte,   daß sie den Bruder in seiner dichterischen Laufbahn nicht aufhalten könnte, so scheute sie doch das Mitleben der damit verbundenen Aufregungen und ließ ihn allein nach Dresden ziehen. Er hatte diese Stadt offenbar gewählt, weil sich dort während der Kriegsstürme ein gewisses geistiges Leben zusammengefunden hatte und weil namentlich Rühle, der inzwischen als Major und Kammerherr des Herzogs von Weimar dessen Sohn Bernhard in Dresden erzog, sowie Pfuel, der nach dem Frieden von Tilsit aus dem Heere getreten war, sich daselbst aufhielten. Auch hatte Rühle in Dresden, um K. die Rückkehr aus Frankreich zu erleichtern, das diesem weit werthvollere Manuscript des „Amphitryon“ für nur 24 Louisdor an den Buchhändler Arnold verkauft, wo es
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