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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum
Autoren: Simon Toyne
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erloschene Kerzen zu sehen; dann öffnete sich der Raum nach links, und schließlich sahen die vier, wofür die Schleifsteine draußen gut waren.
    Äxte, Hackbeile, Schwerter, Dolche … Die Wände waren von oben bis unten bedeckt damit. Die Klingen reflektierten das Fackellicht. Sie funkelten wie Sterne und trugen das Licht tiefer in die Kapelle hinein, wo ein Gebilde aus der Dunkelheit ragte. Es war so groß wie ein Mann und jedem der vier Mönche so vertraut wie sein eigenes Gesicht. Es war das Tau, das Symbol des Sakraments, oder besser … Das hier war kein Symbol mehr, das war das Sakrament selbst.
    Zuerst schien es nur eine schwarze Masse zu sein, doch als Axel näher trat, spiegelte sich das Licht auf der matten Oberfläche, und man konnte erkennen, dass das Ding aus Metallplatten bestand, die von Stahlbändern zusammengehalten wurden. Der Fuß war mit Klammern im Boden verankert. Tiefe Rinnen waren dort in den Felsen geschlagen und führten von dem Tau weg und in die finsteren Ecken des Raums. Eine verwelkte Pflanze wand sich um den unteren Teil des Kreuzes und klammerte sich daran fest.
    Die vier Männer traten näher. Das seltsame Ding zog sie magisch an, und schließlich sahen sie, dass die gesamte Vorderseite des Tau, das mit Ketten an der Decke fixiert war, offen stand.
    Das Tau war innen hohl und mit Hunderten von langen Nadeln gespickt.
    »Ist das das Sakrament?«, sprach Vater Malachi aus, was sie sich alle fragten.
    Sie waren mit den Legenden darüber groß geworden, was das Sakrament sein könnte: der Baum des Lebens aus dem Garten Eden; der Kelch, aus dem Christus getrunken hatte, bevor er am Kreuz gestorben war, oder vielleicht sogar das Kreuz selbst. Doch nun, da sie hier standen und sich der Realität dieses makabren Gegenstands in einem Raum voller Klingen gegenübersahen, da tat sich eine immer größer werdende Kluft zwischen ihrem bedingungslosen Glauben und dem Ding dort auf. Und genau darauf hatte Axel gehofft. Das war genau, was er brauchte, um die Zitadelle weg von ihrer finsteren Vergangenheit und hin zu einer strahlenden Zukunft zu führen.
    »Das kann es nicht sein«, sagte er. »Da muss es noch etwas anderes geben … in einem der anderen Tunnel vielleicht.«
    »Aber das ist die Hauptkammer«, erwiderte Athanasius, »und hier ist das Tau.« Er drehte sich zu dem Ding um, vermied es aber hineinzuschauen, denn dort hingen immer noch die finsteren Erinnerungen an seinen letzten Besuch an den Dornen.
    »Es sieht so aus, als wäre da etwas drin gewesen«, bemerkte Malachi. Er trat näher und schaute sich das Tau durch seine dicke Brille an. »Aber ohne die Sancti, die es uns erklären könnten, werden wir wohl nie erfahren, was das alles zu bedeuten hat.«
    »Ja, es ist wahrlich eine Schande, dass sie nicht mehr im Berg sind«, erwiderte Axel und drehte sich demonstrativ zu Athanasius um. »Ich bin sicher, wir beten alle für ihre rasche Rückkehr.«
    Athanasius ignorierte die Stichelei. Die Sancti waren auf seinen Befehl hin evakuiert worden, eine Entscheidung, die er guten Gewissens getroffen hatte und die er nicht bereute. »Wir haben bislang alles gemeinsam gemeistert«, erklärte er, »und das werden wir auch weiterhin tun. Was auch immer hier gewesen sein mag, jetzt ist es weg – das haben wir alle mit eigenen Augen gesehen –, und nun müssen wir einfach weitermachen.«
    Eine Weile standen die vier einfach nur da und starrten das leere Kreuz an, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Schließlich war es Malachi, der das Schweigen brach. »In den ältesten Chroniken steht geschrieben, sollte das Sakrament je aus der Zitadelle entfernt werden, dann wird die Kirche fallen.« Er drehte sich zu den anderen um, und die dicken Brillengläser vergrößerten die Sorge in seinen Augen noch. »Ich fürchte, was wir hier entdeckt haben, kann nur Böses bedeuten.«
    Vater Thomas schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Unsere alte Vorstellung von der Zitadelle mag ja ›gefallen‹ sein, wenn man es denn so ausdrücken will; aber das heißt noch lange nicht, dass nun auch das physische Ende von allem gekommen ist.«
    »Genau«, erklärte Athanasius. »Die Zitadelle ist ursprünglich gebaut worden, um das Sakrament zu bewachen und zu schützen, doch seitdem ist sie noch so viel mehr geworden. Und nur weil das Sakrament nicht mehr hier ist, heißt das noch lange nicht, dass die Zitadelle keinen Sinn mehr hat. Wenn man eine Eichel vom Fuß einer großen Eiche wegnimmt, dann gedeiht der Baum
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