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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum
Autoren: Simon Toyne
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doch auch noch weiterhin. Vergesst nicht, dass wir zuallererst Gott dienen und nicht dem Berg.«
    Axel trat einen Schritt zurück und richtete den Finger zuerst auf Thomas und dann auf Athanasius. »Das ist Blasphemie.«
    »Unsere Gegenwart hier ist Blasphemie.« Athanasius deutete auf das leere Tau. »Aber das Sakrament ist fort wie auch die Sancti. Das Alte bindet uns nicht länger. Das ist unsere Gelegenheit. Wir können uns neue Regeln geben.«
    »Aber zuerst müssen wir einen neuen Führer wählen.«
    Athanasius nickte. »Wenigstens darin stimmen wir überein.«
    In diesem Augenblick ertönte ein Geräusch aus den tiefsten Tiefen des Berges und hallte in der Kapelle wider, das Geräusch der beginnenden Totenmesse.
    »Wir sollten jetzt lieber gehen und uns zu unseren Brüdern gesellen«, sagte Thomas. »Und ich schlage vor, über das, was wir hier gesehen haben, zu schweigen … zumindest bis wir eine neue Führung haben. Alles andere würde nur Panik erzeugen.« Er drehte sich zu Malachi um. »Du bist nicht der Einzige, der die Chroniken kennt.«
    Malachi nickte, doch seine Augen waren voller Angst. Er drehte sich um und warf einen letzten Blick auf das leere Tau, während die anderen bereits den Raum verließen. »Wenn das Sakrament aus dem Berg entfernt wird«, murmelte er leise vor sich hin, sodass die anderen ihn nicht hören konnten, »dann wird die Kirche fallen, nicht der Berg.« Und rasch verließ auch er die Kapelle. Er wollte nicht allein hier bleiben.

4
    Zimmer 406, Davlat-Hastenesi-Krankenhaus
    Liv Adamsen wachte so unvermittelt auf, dass sie wie ein atemloser Schwimmer nach Luft schnappte. Ihr blondes Haar klebte auf der blassen, nassen Haut, und der wilde Blick ihrer grünen Augen huschte durch den Raum und suchte nach etwas, woran sie sich festhalten konnte, etwas, das ihr half, von dem Albtraum loszukommen. Plötzlich hörte sie ein Flüstern, als wäre jemand nah bei ihr, und auf der Suche nach der Quelle ließ sie ihren Blick durch den Raum huschen.
    Es war niemand da.
    Das Zimmer war klein. Liv lag auf einem Bett mit Stahlrahmen; in der Ecke stand ein Fernseher auf einem Arm an der Wand, und es gab nur ein Fenster, an dessen weißem Rahmen bereits die Farbe abbröckelte. Die Jalousie war heruntergelassen, doch dahinter strahlte das helle Licht des Tages und warf scharf umrissene Schatten durch die Öffnungen in der Jalousie. Liv atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Sie roch Desinfektionsmittel. Es stank nach Krankenhaus.
    Und dann erinnerte sie sich.
    Sie war in einem Krankenhaus … auch wenn sie nicht wusste, warum oder wie sie hierhergekommen war.
    Liv holte noch mehrmals tief Luft. Dennoch dröhnte weiterhin das Herz in ihrer Brust, und das Flüstern in ihren Ohren war nun so laut, dass sie sich unwillkürlich noch einmal im Raum umschaute.
    Reiß dich zusammen , ermahnte sie sich selbst. Das ist nur das Blut, das durch deine Ohren rauscht. Da ist niemand.
    Wann immer sie einschlief, wartete der Albtraum auf sie: ein Traum von Flüstern in der Dunkelheit, wo Schmerz wie rote Blumen blühte, und über allem ragte ein Gebilde auf, geheimnisvoll und furchterregend … ein Kreuz in Form eines ›T‹. Und da war noch etwas in der Dunkelheit bei ihr, etwas Riesiges und Schreckliches. Liv konnte hören, wie es sich bewegte, doch im selben Augenblick, da dieses Ding aus der Finsternis treten wollte, wachte sie jedes Mal schweißgebadet auf.
    Liv lag eine Weile einfach nur da, kämpfte gegen die Panik an und versuchte, sich zu erinnern.
    Mein Name ist Liv Adamsen.
    Ich arbeite für den New Jersey Inquirer.
    Ich habe versucht herauszufinden, was mit Samuel passiert ist.
    Plötzlich sah sie das Bild eines Mönches vor ihrem geistigen Auge, der hoch oben auf einem finsteren Berg stand, den Körper zu einem Kreuz geformt. Dann kippte er vornüber und fiel.
    Ich bin hierhergekommen, um herauszufinden, warum mein Bruder gestorben ist.
    Der Schreck dieser Erinnerung war so groß, dass Liv sich auch wieder daran erinnerte, wo sie sich befand. Sie war in der Türkei, in der antiken Stadt Trahpah. Und das Zeichen, das Samuel geformt hatte – das Tau –, war das Symbol des Sakraments, das gleiche Symbol, das sie auch in ihren Träumen heimsuchte. Nur dass es kein Traum war; es war real. Immer mehr wurde ihr bewusst, dass sie dieses Symbol schon einmal gesehen hatte, irgendwo in der Dunkelheit der Zitadelle … Sie hatte das Sakrament gesehen. Liv konzentrierte sich auf die Erinnerung, zwang
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