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Rywig 02 - Hab Mut, Katrin

Titel: Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
Autoren: Berte Bratt
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Postbote ging nie an Dr. Rywigs Tür vorbei. Es kam Post von Sonja aus England, es kam Post aus dem Südland von Katrins Brüdern.
    Es kam Post aus Deutschland, zweierlei Briefe von höchst unterschiedlicher Art. Die einen klaubte Senta aus dem Stapel hervor, bevor noch jemand sie zu Gesicht bekam, die anderen, die sie ebenfalls in hohem Maße betrafen, legte sie fein säuberlich auf Papas Schreibtisch.
    „Rolf schreibt jetzt viel öfter als früher“, vertraute Senta Katrin an. „Du... die Tage zu Ostern, als er zu Hause war - ich glaube fast, er hat sich in mich verliebt.“
    Sie strahlte und steckte den zuletzt angekommenen Brief in ihre allerheiligste Schublade.
    „Sieh mal dies, Senta“, sagte der Vater am Abend und reichte ihr einen deutschen Brief. Senta befaßte sich eingehend damit - es war ganz erstaunlich, wieviel Mühe sie sich in der letzten Zeit gegeben hatte, mehr Deutsch zu lernen.
    „Das muß ich doch, wenn ich da unten Haustochter sein will“, erklärte sie tugendhaft und brav. Dann las sie den Brief.
    Plötzlich lachte sie hellauf.
    „Nein, hört bloß mal, das ist doch zum Wimmern. Wißt ihr, was diese Dame schreibt? Ja, daß Papa ein sehr geehrter ist, das will ich gelten lassen - sehr geehrter Herr Doktor, nun bitt’ ich euch - aber die Dame ist bereit, sein ,Fräulein Tochter’ für ein Jahr ins Haus zu nehmen - Fräulein Tochter, das soll ich sein! Wartet mal, da kommt noch mehr - wenn Ihre Frau Gemahlin Fräulein Senta hierher begleitet - Beatemutti, hast du gewußt, daß du Papas Frau Gemahlin bist? Im Ernst: Reden die da unten so? Kann man dort nicht Ihre Tochter und Ihre Frau sagen, und muß man unbedingt einen Brief mit ,sehr geehrter’ anfangen?“
    „Jedes Land hat seine Sitten“, lachte Dr. Rywig. „Und Höflichkeit ist doch etwas sehr Lobenswertes.“
    „Gut, ich kann ja sofort anfangen, mich zu üben. Dürfte ich wohl meine verehrte Frau Mutter bitten, ihrem hochwohlgeborenen Herrn jüngsten Sohn auf seinen allerhöchstgeehrten Allerwertesten einen Klaps zu geben - aber einen kräftigen bitte - weil er seiner Fräulein
    Schwester besten Schal als Segel für sein Boot genommen und dafür gesorgt hat, daß das Boot in einer Schlammpfütze gekentert ist.“ „Quaddelliese!“ lachte Bernt. „Aber im Ernst, du hättest mich mal hören sollen, als ich mit Papa und Beate in Österreich war! Papa hatte mich darüber belehrt, und ich habe geübt wie ein Irrer, und als wir im Zug mit einer alten Dame ins Gespräch kamen, nannte ich sie in jedem Satz ,gnädige Frau’.“
    „ - und sie lobte die Höflichkeit der norwegischen Jugend“, sagte Beate.
    „Aber ob nun gnädig oder nicht, so mußt du selber antworten“, sagte der Vater zu Senta. „Und gib dir Mühe, du mußt von vornherein einen guten Eindruck machen.“
    „Ja, gewiß. Wie muß ich denn anfangen?“
    „Ich bedaure, aber es gibt nur einen einzigen Anfang, der gebilligt werden kann, besonders wenn eine Siebzehnjährige an ihre künftige Brotherrin und Lehrfrau schreibt.“
    „Und wie ist der?“
    „Sehr geehrte gnädige Frau“, sagte Dr. Rywig. Senta seufzte. „Hast du was dagegen, Papa, wenn ich meine Ausbildung lieber auf Grönland durchmache? Ich habe mal irgendwo gelesen, die Eskimos kommen mit zwei-, dreihundert Wörtern aus.“
    Sie lachte über das ganze Gesicht, als sie abzog, um zwei Briefe nach Deutschland zu schreiben, deren einer mit „Sehr geehrte gnädige Frau“ anfing. Der zweite fing ganz anders an.
    Katrins Prüfungstag rückte heran, und sie arbeitete tapfer und unermüdlich. Die Tage waren mit Pflichten ausgefüllt - die Abende aber waren der Lichtblick. Bernt hatte sich angewöhnt, Katrin von der Schule abzuholen. Dann fuhren sie ein Stück mit der Vorortbahn, stiegen zwei, drei Haltestellen vor ihrem Ziel aus und wanderten durch den hellen Frühlingsabend heimwärts.
    Und auf diesen Spaziergängen lernten sie sich immer besser kennen. Hier konnten sie sich ungestört und allein unterhalten.
    „Ach Bernt“, seufzte Katrin. „Du weißt unglaublich viel, und du kannst so viel. Ich komme mir unsagbar dumm vor - und ich werde niemals begreifen, wieso du mich eigentlich magst.“
    Bernt lachte und drückte ihren Arm.
    „Kannst du das nicht aus deinem Kopf kriegen, daß du dumm bist? Du bist es in keiner Weise, Katrin. Du hast einen ausgesprochen hellen Verstand, und du lernst unglaublich schnell. Das einzige, was nicht normal ist: deine Ausbildung wurde ein bißchen verschoben. In den
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