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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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bekannt machen, überlegte ich, die beiden konnten sich geschäftlich von Nutzen sein. Der Nachbar war auf dem Hof ein paarmal in Hörweite gekommen, hatte auf Russisch gegrüßt, aber mit fremdem Akzent. Mein Wagen rollte langsam vorbei. Der Nachbar winkte. Ich fuhr nach Hause.
    Im Traum saßen Mutter und Ryschkow in Sesseln an einem kleinen runden Tisch. Die Tischdecke war weiß und mit roten und blauen Mustern bestickt. Die Vorhänge strahlten im hellen Sonnenschein, der durch das Fenster fiel. Die Tapete war geblümt.
    Karpow, Aleksej und ich saßen auf Bänken an einem größeren Tisch. Natürlich in getrennten Gruppen, Mutter und Ryschkow sind schließlich tot, musste ich schmunzelnd denken.
    Ich war ein wenig besorgt, ob Ryschkow meiner Mutter von den Geschäften erzählen würde, an denen wir uns beteiligt hatten. So was dürft ihr nicht, Jungs, würde Mutter sagen, und das wäre uns Tadel genug.
    Aleksej schwieg, Karpow dagegen sprach über Skilaufen, erinnerte daran, wie wir gemeinsam trainiert und alle Skiläufer jenseits des Ural hinter uns gelassen hatten. Im nächsten Moment schmiedete er Pläne, meinte, wir sollten nach Karelien fahren und Urlaub von allem Trubel machen, in aller Ruhe Ski laufen.
    »Kommt an unseren Tisch, Jungs«, bat Mutter, und selbst im Traum lief es mir kalt über den Rücken. Mutters und Ryschkows schwarze Kleider wirkten brüchig wie auf dem Dachboden vergessene Sonntagsanzüge alter Menschen. Ins Gesicht wagte ich den beiden nicht zu sehen.
    Ich wachte auf und starrte ins Halbdunkel des Zimmers. Es dauerte eine Weile, bis meine Augen sich Gewissheit über die Stühle und den Schrank, die Umrisse des Fensters hinter dem dicken Vorhang und den grauen Streifen der Türritze verschafft hatten. Und darüber, dass am Fußende des Bettes niemand stand.
    »Du hast was gerufen«, sagte Marja, ohne den Kopf vom Kissen zu heben.
    »Nein.«
    »Dann eben gestöhnt. Bist du krank?«
    »Ich hab nur was geträumt. Alles in Ordnung. Schlaf nur weiter«, befahl ich unfreundlich. Ich spürte, wie sich Marjas Körper versteifte.
    »Schlaf nur«, sagte ich noch einmal und stand auf. Dabei hätte ich Marja umarmen und an mich drücken und ihr sagen müssen, dass ich mich fürchtete.

4
    Die Morgensonne strahlte die Gewissheit aus, dass ein warmer Tag bevorstand. Ich trank meine zweite Tasse Tee auf der Verandatreppe und vergaß beinahe, dass ich im Dreck steckte. Marja kam gähnend auf die Veranda, zog die Zehen zusammen, ihr Nachthemd roch nach Schlaf. Sie fuhr mir kurz durch die Haare. Ich dachte, dass ich eigentlich nichts zu sagen brauchte, irgendwo im Fundament war ein tragender Balken, auf dem wir wieder aufbauen konnten.
    Marja ging zur Arbeit, sie sagte, sie komme zur gewohnten Zeit zurück. Ihr Projekt sei gerade in einem leichteren Stadium, und sie wisse noch nicht, ob sie die Fragebögen vor den Ferien abschicken konnten. Mir wurde klar, dass ich keine genaue Vorstellung von ihrer Arbeit hatte. Sie war im Winter in eine Forschungsgruppe der Staatlichen Forschungs- und Entwicklungszentrale für Soziales und Gesundheit aufgenommen worden, die sich mit dem Alkoholkonsum von Mädchen befasste. Marja war begeistert gewesen, hatte von Kollegen und Hintergrundfakten erzählt und von der Wissenschaftsgemeinschaft gesprochen, als wäre sie daran beteiligt, ein Medikament gegen Krebs zu entwickeln. Und zugleich war sie irgendwie erwachsener geworden, hatte begonnen, sich zu kleiden wie alle anderen jungen Frauen, die in Gipsplattenbüros am Computer saßen, adrett, aber ihrer eigenen Meinung nach individuell.
    Antti Kiuru rief von der Reihenhausbaustelle an und fragte nach einem zweiten Tacker. Ich wusste, dass ich zu Hause im Schuppen eine Nagelpistole und einen Kompressor hatte, und versprach, beides vorbeizubringen. Ich zog mich an, sah in der Küche nach, ob alle Elektrogeräte ausgeschaltet waren, und zog die Haustür fest ins Schloss.
    Mein nächster Nachbar, ein alter Mann, stand vornübergebeugt auf dem Rasen und zupfte kaum sichtbares Unkraut aus. Er trug eine graue Hose mit scharfen Bügelfalten, ein Hemd mit steifem Kragen und eine blaue Strickjacke. Ich nickte grüßend und ging zum Briefkasten.
    Meine Mutter hatte immer schon im Voraus gewusst, wann wir Besuch bekommen würden; sie hatte gesagt, es kitzle sie im Mund. Mir war nie ganz klar geworden, welche Art von Jucken sie meinte, aber jetzt spürte ich ein seltsames Prickeln im Nacken. Als ob mich jemand beobachtete.
    Der Nachbar
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