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Runterschalten

Runterschalten

Titel: Runterschalten
Autoren: Wiebke Sponagel
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Branche passt. Beim Militär nennt man das „schleifen“. Dieser Transport geht relativ geräuschlos vonstatten, wenn der Aufstiegs-Kandidat sich an bestimmte Regeln hält. So wird zum Beispiel seine Bereitschaft vorausgesetzt, Privatzeit für die Pflege von beruflichen Kontakten zu opfern. Problematisch wird es, wenn unser Aspirant ein „Lifestyle-Problem“ hat: Das kann zum Beispiel darin bestehen, dass Männer sich ihrer Familie widmen wollen.
    In den USA gibt es in Personalabteilungen von dot-com-Firmen für Mitarbeiter oder Bewerber die Kategorie „Zero Drag“. Ursprünglich war damit die reibungsfreie Bewegung von Rädern gemeint. Dort aber wendet man den Begriff auf Menschen an, die bereit sind, von einem Job zum nächsten zu wechseln, ohne familiäre Bindungen oder Verpflichtungen.
    Der Zero-Drag-Manager ist der „Traumprinz“ der Personalbranche: Er ist gesund, jung und „flexibel“, also ungebunden, und kann sich ganz und gar den geschäftlichen Aufgaben widmen, ohne lästigen „Anhang“. Mit anderen Worten: Gesucht werden im Grunde keineMenschen mit eigenem Leben und eigenen Zielen und Gefühlen. Und wenn, dann sollen das „zu vereinbarende“ Ziele sein. Gesucht werden gleichartige Funktionsträger. Je mehr die Reibung zunimmt, desto störender fürs Unternehmen und die Karriere. Wer dann irgendwann mal runterschalten will aus einer gehobenen Position, hat aus Sicht vieler Personaler also nicht nur ein „Lifestyle-Problem“, sondern auch einen geringeren Marktwert.
    5. Schritt zur Selbst-Losigkeit: Anpassung an die Firma
Phase sechs: Ritterschlag zum „Entscheider“
    „Die ersten Jahre vergingen wie nichts. Ich fand es prima, in einem großen Unternehmen mit gutem Namen zu arbeiten. Die Arbeit hörte gar nicht mehr auf, aber sie machte Spaß. Ich bekam auch bald in der Projektarbeit eigene Teams. Es gab immer mehr Verantwortung und ich habe das für selbstverständlich genommen. Ich hatte den Eindruck, wichtig fürs Unternehmen zu sein.“ Axel Wendel ist „angekommen“ in der Normkarriere!
    Inzwischen sind Kandidat oder Kandidatin funktionierende Rädchen im Getriebe. Falls es ein Kandidat ist, kommt er immer mehr in Regionen, in denen jene mystisch verklärte Eigenschaft von ihm erwartet wird, die die Managerklasse angeblich auszeichnet: Entscheiden. Schnell und richtig. Manager sind „Entscheider“. Entscheider-Sein hat etwas Kämpferisches, da geht es ums Überleben, hopp oder topp. Frauen zaudern, Männer entscheiden, zumindest in Filmen ist das so.
    Auf dieser Stufe der Karriereleiter winkt also – für Männer – ein ganz wichtiger Gratifikationseffekt: Männliche Identität. Ohnehin gehören Beruf und Karriere zu den wichtigsten Identitäts-Stiftern für Männer. Frauen, die erfolgreich sind, müssen sich dagegen vielerorts dafür verteidigen: Durchsetzungsfähigkeit, Ambition und Macht gelten in der „gefühlten Arbeitswirklichkeit“ noch als männliche Attribute. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum viele Frauen es an dieser Stelle der Norm-Karriere vorziehen, nicht weiter zu streben: Während Männer männliche Identität gewinnen, je weiter sie beruflich kommen, geht den sogenannten Karrierefrauen das weibliche Selbstverständnis, soweit es auf Bestätigung von außen beruht, verloren. Aber nicht nur Frauen neigen dazu, in diesem Stadium nicht weiter zu wollen. Auch viele Männer sind, hier angekommen, mit dem Erreichten zufrieden. Sie befinden sich in einer „Sandwich-Position“, auf mittlerer Hierarchie-Ebene. Der Verdienst ist gut, aber Umstrukturierungen sind allgegenwärtig. Der Stress auch.
    6. Schritt zur Selbst-Losigkeit: Dem Männlichkeits-Zauber erliegen.
Phase sieben: Verantwortung loswerden
    „Dann klingelte irgendwann das Telefon und ein Headhunter war dran. Die neue Stelle bot einfach noch mehr und ich fiel nach oben. Wenn ich ehrlich bin, war da auch Glück im Spiel; ich kannte die richtigen Leute, die mich ins Gespräch brachten. Knapp zwei Jahre später passierte das Gleiche noch mal. Ich tauschte den einen Chefsessel mit dem nächsten, und was aus meinen Entscheidungen später wurde, habe ich so nicht mitgekriegt …“ so erlebte Axel Wendel seinen Weg nach oben.
    Auf Stufe sechs der Norm-Karriere gab es mit der Beförderung zum „Entscheider“ den Ritterschlag, ein echter Mann zu sein. Die Vereinheitlichungs-Maschine rattert derweil weiter, und nimmt ins Visier, was unser frisch geschlagener Ritter eben noch als seins feierte:
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