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Runterschalten

Runterschalten

Titel: Runterschalten
Autoren: Wiebke Sponagel
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Wirtschaftswissenschaften, BWL oder Jura, Abschluss: MBA. Spezifisches Fachwissen, wie es noch in den 1980er Jahren für Karrieren von unten nach oben im Unternehmen wichtig war, ist heute eher nebensächlich. An dessen Stelle sind Finanzen, Marketing und Controlling getreten. Im MBA-Studium lernt man, Daten zu sammeln, Kennzahlen und Kontrollmethoden zu bearbeiten und wieder neue bürokratische Prozesse zu entwickeln, die nicht unbedingt etwas mit unternehmerischen Zielen zu tun haben. Die Vorschriften zur internationalen Rechnungslegung fordern das, im Zuge der Globalisierung werden solche Verfahrensexperten gebraucht. Halten wir also noch ein Merkmal der Normierungsmaschine fest: Die Kandidaten der Normkarriere produzieren ihrerseits mechanistische Strukturen. Perfekt. Die Maschine reproduziert sich selbst.
    3. Schritt zur Selbst-Losigkeit: Lernen, Prozesse zu produzieren.
Phase vier: Ahnungslos durchs Assessment Center
    „Das Studium enthielt unglaublich viel Examenswissen, das man zwei Wochen später schon wieder vergessen hatte. Aber klar, alles in allem und mit den Praktika, die man neben dem Studium gemacht hat, fühlte man sich als frischer MBA als King. Das Gerede vom Assessment-Center konnte da eigentlich erst mal keinen schockieren. Aber dann kriegt man doch das Hosenflattern …“
    Der vierte zu bestehende Schritt in der Laufbahn zum Norm-Manager: Das Assessment-Center (AC). Ein Auswahlverfahren, dessen Ursprünge bei Rekrutierungsverfahren der deutschen Wehrmacht bzw. später der US-Army liegen. Ziel der Tests: Für ein bestimmtes Unternehmen geeignete Kandidaten auf die Führungskräfte-Schiene zu setzen. Worin diese Eignung genau besteht, ist allerdings nicht klar. In Praxisanleitungen zum AC-Verfahren ist die Rede von der „Selektion geeigneter Personen für ausgeschriebene Merkmalsklassen“, und zwar nach „Quoten“ – Sie verstehen?
    Ein Bewerber erzählt von seinen Erlebnissen aus fünf AC. Er stellt fest, dass sich die Verfahren in den großen Unternehmen mehr oder weniger gleichen. Die Konkurrenten beobachten sich und die Reaktionen der Juroren, jeder beäugt jeden, es ist ein Nonstop-Vergleich in alle Richtungen.
    Die konkrete Aufgabenstellung sei bei solchen Prüfungen fast nebensächlich, schreibt der AC-Kandidat. Worauf es den Prüfern allerdings ankomme, weiß der Kandidat nicht: Durchsetzungsfähigkeit? Teamfähigkeit? Emotionalität? Coolness? Es ist, als wenn jemand zum Hundertmeterlauf antritt, um vielleicht nachher zu erfahren, dass der Läufer mit dem besten Hüftschwung siegte. Die Prüfer werden sich irgendetwas notieren, der Kandidat hat keine Ahnung, was.
    „Fair war das nicht“ erzählt auch Axel Wendel. „Man hatte ständig dieses ungute Gefühl im Magen, aber zeigen durfte man es natürlich nicht.“
    Die Macher der AC-Verfahren glauben, messbare Auswahlkriterien für ihre Merkmalsklassen zu haben. Viele Fragen sind jedoch aus wissenschaftlicher Sicht bis heute ungeklärt: Misst das AC wirklich, was es zu messen vorgibt? Sind da nicht auch „gefühlte“, also nicht messbare Inhalte beteiligt? Sind erfolgreiche AC-Teilnehmer wirklich Garanten für den Erfolg eines Unternehmens? Oder bringt das Verfahren nur angepasste Streber hervor?
    Stellen Sie sich nur einen Moment mal Gründertypen vor wie Anita Roddick, Jil Sander oder Götz Werner – hätten sie ein AC bestanden? Wohl kaum.
    4. Schritt zur Selbst-Losigkeit: Vorgeben, sich angepasst zu verhalten.
Phase fünf: Laufbandtraining im Unternehmen
    „Irgendwann hatte ich kapiert, was die wollten. Und ich hatte Glück. Beim dritten AC hat es dann geklappt. Noch zwei Gespräche, und der Vertrag war unterschrieben. Ein Gefühl wie nach einem Hürdenlauf. Ich war so was von froh, endlich angekommen zu sein. Aber die wahren Hürden kamen ja erst …“ berichtet Axel Wendel weiter.
    Im Unternehmen fängt die Normierungsmaschine erst richtig an zu laufen. Den Job-Einsteiger erwarten „Trainings-on-the-job“, Projektmanagement-Seminare und Führungskräftetrainings. Personalverantwortliche überwachen in regelmäßigen Abständen die Leistungen der Nachwuchskräfte. Die „Vergleichbarkeit“ – denn objektiv will man ja sein – soll mit Evaluierungsbögen hergestellt werden, die von Mitarbeitern und Vorgesetzten ausgefüllt werden.
    Unser Bewerber, egal ob Mann oder Frau, ist angekommen auf einem Laufband, das ihn nach oben transportieren und gleichzeitig „formen“ soll, damit er zur Kultur des Hauses und der
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