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Runterschalten

Runterschalten

Titel: Runterschalten
Autoren: Wiebke Sponagel
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Entscheidungen. Immer mehr Unternehmen haben immer mehr gleiche Entscheidungsmuster. Als Grund dafür sieht man in der Soziologie die schon beschriebene Vorliebe der Wirtschaftsleute fürs Vernünftige, die „Rationalitätsfiktion“: Was vermeintlich rational ist, wird als ideales Entscheidungsmuster bezeichnet und zu Handlungsanweisungen umgegossen. Diese vorgeformten Abläufe und Entscheidungswege heißen „Best Practice“.
    Ein erfolgreiches Unternehmen, das eine so genannte Best Practice hervorgebracht hat, bekommt Vorbildcharakter, und andere Firmenorientieren sich daran. Daher wird ein Manager, der eines der vermeintlich bewährten Best Practice Modelle anwendet, nie Fehler machen. Es lassen sich immer andere Gründe finden und der Verweis auf das Best Practice Prozedere wirkt zusätzlich entlastend.
    Im Klartext heißt das: Entscheidungsprozesse werden auf Autopilot gestellt. Persönliche Verantwortung, die ein angestellter Manager im Unterschied zu einem selbstständigen Unternehmer ja sowieso kaum kennt, wird von seinen Schultern genommen. Mithin wird die Fähigkeit für Fehlerbewusstsein und Selbsterkenntnis von der Normierungsmaschinerie immer mehr rausgefiltert. Nebenbei gesagt ist das einer der Gründe, warum Manager Coaches brauchen: Um ihre Selbsterkenntnis zu reaktivieren, um sie herauszuholen aus dem Umfeld der Beifallspender.
    7. Schritt zur Selbst-Losigkeit: Verantwortung vergessen
Phase acht: Status – die Krönung des Norm-Managers
    „Ich war viel auf Reisen, zu Geschäftspartnern, Tagungen, Meetings im Unternehmen. Die Hotels waren top und man schüttelte immer andere, aber auch immer wieder die gleichen Hände. Man kennt sich halt in der Branche. Es war so ein Golfclub-Gefühl, man war unter sich, das gehörte dazu.“
    Ein letztes Steinchen fehlt noch in unserem Mosaik der Normkarriere, es heißt „Corporate Identity“ (CI) und bringt ähnlich wie der Ritterschlag zum Entscheider eine essentielle Form der Anerkennung: Ein Zugehörigkeitsgefühl, das insbesondere Manager mit „Zero Drag“, also vollem Einsatz und wenig Privatleben, brauchen. Sie sind Entscheider, und zwar in einem Unternehmen, das ihnen eine starke „CI“ bietet. Schon der Mitarbeiter soll sich mit dem Unternehmen identifizieren, selbst einfachen Angestellten werden Anreize geboten wie interner Wäsche- oder Einkaufsservice, damit mehr Zeit für das Unternehmen da ist und nebenbei ein „Wir-Gefühl“ entsteht. Führungskräfte erhalten umfangreiche finanzielle Incentives, die es einfach machen, sich „mit dem Laden“ zu identifizieren: Statussymbole wie Firmenwagen und Handys, bezahlte Zweitwohnungen, Geschäftsreisen mit Luxusfaktor und so weiter. Solchermaßen mit Zugehörigkeit und Selbstbewusstsein ausgestattet, sind auch „unangenehme Entscheidungen“ leichter zu treffen, wie etwa zweifelhafte Fusionen abzuwickeln und Personal zu entlassen.
    Und sollte einer der Manager doch mal ins Grübeln kommen, bietet das Unternehmen ihm den Kontakt mit Leidensgenossen. In Meetings oder bei Fachtagungen in luxuriösem Ambiente kann man sich austauschen und das Gewissen entlasten. Die Mitglieder dieser Gruppe beruhigen und bestätigen sich gegenseitig. So ist das eben. Wir müssen auch unangenehme Entscheidungen treffen, wir sind schließlich Entscheider, moderne Krieger. Das Wir-Gefühl wird gestärkt und der Restzweifel im Alkohol ertränkt.
    Krönung der Selbst-Losigkeit: das Manager-Wir-Gefühl
    Und da begegnen sie uns plötzlich wieder, die Gefühle, die es doch angeblich bei den rationalen Wirtschaftsleuten gar nicht gibt. Es sind starke Gefühle, die am Ende der Norm-Karriere stehen, nämlich eine Art Familienzughörigkeit zum Manager-Stand. Allerdings sind das keine „Blutsbande“, die idealerweise ein Leben lang halten. Diese Art der Zugehörigkeit kann schnell erschüttert werden.
    Gefühlte Arbeitswirklichkeit: gelebt werden statt leben
    Unsere überzeichnete Norm-Karriere hat gezeigt, wie aus jungen, hochmotivierten Berufseinsteigern Standardprodukte werden. Wie Menschen immer mehr vereinheitlicht werden, weil Systemeffekte die Kontrolle über ihr Selbstverständnis und ihre Selbststeuerung übernehmen. Hatte der gute alte Marx, der sein eigenes Leben nie geregelt bekam, also recht? Erleben wir als Ergebnis der Industrialisierung die zunehmende Entfremdung des Menschen von sich selbst?
    Ja und nein, denn das ist nur die halbe Wahrheit. Ein Nebeneffekt dieses Prozesses ist nämlich, dass wir ihn mit
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