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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Autoren: Else Buschheuer
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Lolita als Neuzugang in meinem Mädchenharem, drapiert wie ein Opferlamm, mit perlengeschmückter Stirn, wie sie mir, der Herrscherin, zugeführt wird von Dietrich, dem Eunuchen (»Nahörmal!«) …

9. Nie wieder Concorde
    Ich liege nackt in meinem Zwei-mal-zwei-Meter-Bett, dem Zentrum meines Lebens. Balzacs Vater hat 20 Jahre lang im Bett gelegen. Proust hat ausschließlich im Bett gearbeitet. Von dort aus rief er immer Sachen wie: »Man schicke ins Ritz nach einem Apfel!« Nicht zu vergessen: Heines Matratzengruft. Ob die alle auch immer kalte Füße hatten? Meine sind in zwei Decken eingewickelt. Fatal! Die Welt erhitzt sich. In der Ostschweiz haben die Gletscher in 150 Jahren die Hälfte ihres Volumens verloren. Der Meeresspiegel steigt jährlich um ein bis zwei Millimeter. Und meine Füße sind trotzdem kalt. Ich lese Zeitung und knabbere das Salz von Salzstangen ab. Jede Stange einzeln. Jedes Salzkorn. Die leer geknabberten und blank geleckten Stangen stelle ich säuberlich nebeneinander in ein Glas und würde sie gern bei der nächsten Gelegenheit Maik und Mändy anbieten.
    BILD titelt: RATTE KROCH AUS DEM KLO – ARCHITEKT ENTMANNT. Na wunderbar! So etwas brauche ich nur zu lesen, und das Scheißen ist mir lebenslang vergällt. Seit ich
Allein gegen die Mafia
gesehen habe, rechne ich damit, durch die verschlossene Tür erschossen zu werden. Seit ich weiß, dass es einseitige Spiegel gibt, hänge ich in Hotels grundsätzlich alle zu. Ich esse nie Currywurst, weil ich einmal mit beobachten musste, wie der Rotz eines Straßenverkäufers obendrauf tropfte. Ich schwimme nicht im Meer, weil mich die Vorstellung, unter mir ist eine Hunderte Meter tiefe Welt, beelendet. Niemals laufe ich unter einem Baugerüst durch, weil da bekanntlich öfter mal was runterfällt und Menschen erschlägt. Ich trinke meinen Kaffee schwarz, seit mir Dietrich erzählt hat, dass ihm mal eine Bekannte, eineWöchnerin, in Ermangelung von Kaffeesahne heimlich Muttermilch im Kaffee serviert hat. Direkt aus der Titte reingespritzt! Er hat es mit eigenen Augen gesehen! Ich ekle mich vor Keksen, seit ich in einem russischen Klassiker gelesen habe, dass eine Frau, um die Liebe eines Mannes zu erwecken, ihr Regelblut in den Keksteig mischte. Die Geschichte ging tragisch aus. Der Mann erhängte sich, als er es kurz nach dem Essen erfuhr.
    Es ist zwar relativ unwahrscheinlich, dass jemand Regelblut in den Teig mischt, um meine Liebe zu erwecken, aber es gibt da auch noch andere Geschichten. Vom Bäckerlehrling, dem es Spass macht, in den Teig zu rotzen oder seine Kippe hineinfallen zu lassen. Vom Angestellten, der in den Tee seines Chefs pinkelt. Vom Fleischer, dem beim Wurstmachen ein Stück Finger in den Fleischwolf gerät. Das eitrige Pflaster im Sauerkraut. Das Schamhaar in der Suppe. Wahnsinn als Summe aller Erfahrungen.
    Mit dem Sex ist das ähnlich. Sex interessiert mich nur als Grenzerfahrung. Als Augenblick, in dem Lebenstrieb und Todestrieb miteinander kämpfen. Leider werden das Vorher und das Nachher mit der Zeit immer größer und störender. Und wo bitte steht geschrieben, dass einer, der mich ficken darf, automatisch dazu berechtigt ist, mit mir vom selben Teller zu essen und aus derselben Flasche zu trinken! Und wer hat beschlossen, dass Sex und Schlafen in einem so engen Zusammenhang stehen sollen? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Kuscheln! Gemütlich machen! Brötchen holen. Urlaubsplanung, Weihnachten bei den Eltern, Wie war dein Tag, Schatz? Der ganze Pärchenspuk …
Never ever!
    Ich merke sofort, welcher Mann für mich geeignet ist. Ich sehe es in seinen Augen. Ich höre es an seiner Stimme.Wenn er keine Angst vor dem Tod hat, dann hat er auch keine Angst vor Leidenschaft.
    Auch beim Tod gibt es ein Vorher und ein Nachher. Zwei bezeichnende Bilder dafür haben sich für immer in mein Gedächtnis eingegraben. Einmal die grausige Wiederherstellung einer Leiche in der Pathologie. Nach der Autopsie zog der Sektionsmeister das hochgeraffte Gesicht des Toten fast liebevoll über den skalpierten Schädel. Wie eine Mutter, die die Bommelmütze ihres Sohnes zurechtrückt. Ich weiß kein besseres Bild für die Sterblichkeit des Menschen. Ich weiß auch keine größere Kränkung, als tot und in einer solchen Lage zu sein.
    Zum anderen den Gesichtsausdruck eines Testpiloten. Um diese Jungs auf Überschallflüge vorzubereiten, setzt man sie in eine riesige Zentrifuge, die aussieht wie eins der Raketenkarussells, von denen man
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