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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben
Autoren: Ishmael Beah
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lehnte sich zurück, sah mich an. Ich lächelte ein wenig, und der Soldat lachte mich aus. Er sagte etwas in seiner Sprache und streckte wieder die Hand aus. Diesmal war das Grinsen aus seinem Gesicht verschwunden. Ich legte ihm Geld auf die Hand. Er roch an dem Geld und steckte es ein. Er zog meinen Pass aus der Tasche und bedeutete mir mit einer Hand-
    bewegung, ich solle durch das Tor gehen.

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    Auf der anderen Seite standen viele Busse. Ich war unsi-
    cher, welchen ich nach Conakry nehmen sollte. Niemand,
    den ich nach dem Weg fragte, verstand, was ich sagte. Das einzige französische Wort, das ich kannte, war »Bonjour«, was mir überhaupt nicht weiterhalf.
    Ich suchte ratlos nach einem Bus in die Hauptstadt, als ich aus Versehen einen Passanten anrempelte.
    »Pass doch auf, wo du hingehst«, brummte er auf Krio.
    »Entschuldigung, tut mir leid«, erwiderte ich. »Alles in
    Ordnung?«, fuhr ich fort und gab dem Fremden die Hand.
    »Ja, alles okay. Hast’ mich gar nicht gesehen, was? Wo
    willste denn hin, Junge?«, fragte mich der Mann.
    Ich erklärte ihm, dass ich den Bus nach Conakry suchte.
    Er sagte, er sei ebenfalls dorthin unterwegs. Der Bus war überfüllt, weshalb wir den Großteil der Fahrt stehen mussten.
    Auf den über 80 Kilometern bis zur Hauptstadt gab es über 15 Kontrollpunkte, und die Soldaten waren gnadenlos. Alle Straßensperren sahen gleich aus. An den Straßenrändern park-ten Jeeps mit aufgestellten Maschinengewehren. Zwei Soldaten standen an der Metallschranke, die die Straße von einer Seite zur anderen versperrte. Rechts saßen weitere Soldaten in einem Bretterverschlag, der mit einer Plane abgedeckt war.
    Teilweise wurden Leute in den Verschlägen von den Solda-
    ten durchsucht. Sie hatten einen festen Preis für alle Flüchtlinge aus Sierra Leone, und wer nicht zahlen konnte, wurde aus dem Bus geworfen. Ich fragte mich, ob sie die Leute wieder auf die andere Seite der Grenze zurückschickten. Dank der Hilfe des Mannes, mit dem ich in den Bus gestiegen war, konnte ich einige der Straßensperren umsonst passieren. Die meisten Soldaten hielten mich für den Sohn des Mannes und prüften seine Dokumente, meine dagegen nicht, und nannten ihm den Preis für uns beide. Ich glaube nicht, dass er es gemerkt hat. Er wollte einfach nur nach Conakry, und offenbar war Geld kein Problem für ihn. An einer Straßensperre führten mich die Soldaten in einen Raum und befahlen mir, mich auszuziehen. Zuerst wollte ich meine Sachen nicht ablegen, aber ich sah, wie sie einen Mann zu Boden traten und ihm
    Hemd und Hose zerrissen. Einer der Soldaten nahm mir mei-

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    nen Gürtel weg. Auf der Gürtelschnalle war ein Löwe, und es war mein Lieblingsgürtel gewesen. Ich hielt die Hose mit
    einer Hand fest und rannte wieder zum Bus. Ich presste die Zähne fest zusammen, ballte meine Fäuste und unterdrückte meine Wut.
    An der letzten Straßensperre forderte mich ein Soldat auf, die Hände hinter den Kopf zu legen, damit er mich durchsuchen konnte. Als ich die Hände hob, rutschte mir die Hose herunter, und einige der Passagiere lachten. Der Soldat zog mir die Hose hoch und band sie mit einem Schnürsenkel fest, den er in der Tasche hatte. Als er fertig war, steckte er seine Hand in meine Tasche und zog meinen Reisepass heraus. Er
    blätterte die Seiten durch und gab ihn mir wieder. Ich folgte den Leuten, die in der Schlange auf ihren Einreisestempel warteten. Ich zitterte vor Wut, aber ich wusste, dass ich mich beruhigen musste, wenn ich es nach Conakry schaffen wollte.
    Ich hörte, wie Leute sagten, die Einreisegebühr sei umge-
    rechnet so viel wie 300 Leones. Ich hatte nur noch 100 Leones und brauchte sie für den Rest der Reise. Was mache ich nur, dachte ich. Ich hatte den ganzen Weg umsonst gemacht.
    Selbst wenn ich gewollt hätte, konnte ich es mir nicht einmal mehr leisten, nach Freetown zurückzufahren. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich sah keinen Ausweg und bekam es allmählich mit der Angst zu tun. Da sah ich, wie ein Mann,
    dessen Reisepass gerade abgestempelt worden war und der
    nun um den Kontrollpunkt herumging, um wieder in den
    Bus zu steigen, aus Versehen zwei der vielen Tüten fallen ließ, die er mit sich herumschleppte. Ich zögerte, entschied mich aber, die Chance zu nutzen. Ich trat aus der Reihe, hob die Tüten auf und folgte ihm in den Bus. Ich setzte mich auf den Rücksitz, rutschte ganz tief und spähte hinaus, ob die Soldaten in meine Richtung sahen. Ich blieb im Bus sitzen,
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