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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben
Autoren: Ishmael Beah
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gültige Dokumente vor-wiesen. Wer sich zu zahlen weigerte, riskierte, wieder in die Stadt zurückgeschickt zu werden. Alle, die kein Geld hatten, ließen sich Uhren oder Schmuck oder etwas anderes von Wert abnehmen. Immer, wenn wir auf eine Straßensperre zufuhren, begann ich leise, Gebete aufzusagen, von denen ich hoffte, dass sie mir helfen würden durchzukommen.
    Ungefähr um vier Uhr nachmittags erreichte der Bus ei-
    nen Ort namens Kambia, die letzte Station. Zum ersten Mal, seitdem wir die Stadt verlassen hatten, beobachtete ich, dass 247
    sich die Gesichter der Fahrgäste ein wenig entspannten. Aber schon bald verdüsterten sie sich wieder, und alle murrten, als die Einwanderungsbeamten ebenfalls Geld verlangten, bevor wir die Grenze überqueren durften. Alle griffen in ihre Socken, Hosennähte und unter ihre Stirnbänder, um ihr letztes bisschen Geld herauszufischen. Eine Frau mit zwei siebenjährigen Jungen flehte den Beamten an und sagte ihm, sie brauche das Geld, um ihre Söhne in Conakry zu ernähren, aber
    der Mann hielt einfach nur die Hand hin und schrie die Frau an, sie solle zur Seite treten. Es machte mich krank, mit anzusehen, wie unsere eigenen Landsleute Geld von uns verlangten, wo wir doch aus dem Kriegsgebiet kamen. Sie profitierten von Menschen, die um ihr Leben rannten. Wieso muss
    man Geld bezahlen, wenn man das eigene Land verlassen
    möchte?, dachte ich, konnte mich aber nicht herumstreiten.
    Ich musste zahlen. Die Grenzbeamten verlangten 300 Leones, fast zwei Monatslöhne, nur für einen Ausreisestempel im
    Reisepass. Kaum dass mein Reisepass abgestempelt war,
    überquerte ich die Grenze nach Guinea. Ich hatte noch einen langen Weg vor mir, ungefähr 80 Kilometer bis nach Conakry, der Hauptstadt, deshalb beeilte ich mich, um einen anderen Bus zu erwischen, der mich dorthin bringen würde. Ich hatte nicht daran gedacht, dass ich keine der Sprachen Guineas sprach. Ich machte mir ein klein wenig Sorgen, aber ich war erleichtert, überhaupt lebendig aus meinem Land herausgekommen zu sein.
    Die Busse nach Conakry warteten auf der anderen Seite
    eines Kontrollpunkts, der von Soldaten aus Guinea errichtet worden war. In der Nähe des Kontrollpunkts standen Männer, die die einheimische Währung zu beliebigen Wechsel-
    kursen anboten. Ich hätte gedacht, dass die Soldaten etwas gegen solchen Schwarzmarkthandel mit ausländischer Währung unternehmen müssten, aber es schien sie nicht zu interessieren. Ich tauschte mein Geld und ging auf den Kontrollpunkt zu. Überall waren Soldaten, die entweder kein Eng-
    lisch sprachen oder so taten, als könnten sie es nicht. Sie hielten ihre Gewehre im Anschlag, als erwarteten sie, dass etwas passierte. Ich mied den Blickkontakt, weil ich Angst hatte, 248
    dass sie mir an den Augen ansahen, dass auch ich einst Soldat in dem Krieg gewesen war, den ich nun hinter mir ließ.
    Ich musste durch ein dunkelbraunes Holzhaus gehen, um
    zum Bus zu gelangen. In dem Haus durchsuchten die Solda-
    ten die Taschen, dann ging man hinaus und zeigte den Beamten seine Dokumente. Als ich im Holzhaus war, rissen die
    Soldaten meine Tasche auf und warfen den Inhalt auf den
    Boden. Ich hatte nicht viel, deshalb war es kein Problem, alles wieder einzupacken: zwei Hemden, zwei Unterhemden
    und drei Unterhosen.
    Ich trat aus dem Holzhaus und hatte das Gefühl, als wür-
    den mich alle Soldaten anstarren. Wir sollten unsere Dokumente vorzeigen, aber wem? Dort standen zu viele Tische.
    Ich wusste nicht, zu wem ich gehen sollte. Die Soldaten sa-
    ßen in voller Kampfmontur im Schatten der Mangobäume.
    Einige hatten ihre Gewehre am Riemen über die Lehne ihres Stuhls gehängt, andere hatten sie auf den Tisch vor sich gelegt, wobei die Mündungen auf das Holzhaus zeigten. Auf
    diese Weise machte man Menschen nervös, bevor man Geld
    von ihnen verlangte.
    Ein Soldat, der mit einer Zigarre im Mund ganz rechts in
    der Tischreihe saß, machte mir ein Zeichen herüberzukom-
    men. Er streckte die Hand nach meinem Reisepass aus. Ich
    übergab ihn, ohne ihm ins Gesicht zu sehen. Die Soldaten
    sprachen eine Sprache, die ich nicht verstand. Er steckte meinen Pass in seine Brusttasche, nahm die Zigarre aus dem
    Mund, legte seine Hände auf den Tisch und sah mich streng an. Ich sah nach unten, doch der Soldat schob mein Kinn
    nach oben. Er nahm die Zigarre aus dem Mund und prüfte
    noch einmal meinen Reisepass. Seine Augen waren rot, aber er hatte ein Grinsen im Gesicht. Er faltete die Hände und
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