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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot
Autoren: Kerstin Gier
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dieser merkwürdige Blick, der sich auf mich richtete. »Mein Name ist Paul. Paul de Villiers.«
    »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte ich. »Sie sind der, der meine Cousine Lucy verführt hat, den Chronografen zu stehlen. Warum haben Sie das getan?«
    Paul de Villiers Mund verzog sich. »Ich find's komisch, wenn du mich siezt.«
    »Und ich find's komisch, dass Sie mich kennen.«
    »Hör auf, mit ihm zu sprechen«, sagte Gideon. Sein Griff hatte sich ein bisschen gelockert, er hielt mich nur noch mit einem Arm an sich gepresst, mit dem anderen öffnete er eine Seitentür hinter sich und warf einen Blick in das Nachbarzimmer. Ein weiterer behandschuhter Mann hatte sich dort aufgebaut.
    »Das ist Frank«, sagte Paul. »Und weil er nicht so groß und stark ist wie Millhouse, hat er eine Pistole, siehst du?«
    »Ja«, knurrte Gideon und warf die Tür wieder zu.
    Er hatte tatsächlich recht gehabt. Wir waren in eine Falle geraten. Aber wie war das nur möglich? Margret Tilney konnte doch unmöglich an jedem Tag ihres Lebens den Tisch für uns decken und einen Mann mit einer Pistole im Nebenzimmer sitzen haben.
    »Woher wussten Sie, dass wir heute hier sein würden?«, fragte ich Paul.
    »Tja. Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich es gar nicht wusste, sondern nur zufällig vorbeigekommen bin, würdest du mir sicher nicht glauben, oder?« Er angelte nach einem Scone und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Wie geht es deinen lieben Eltern?«
    »Halt den Mund!«, zischte Gideon.
    »Aber ich werde sie doch wohl fragen dürfen, wie es ihren Eltern geht!«
    »Gut«, sagte ich. »Jedenfalls meiner Mum. Mein Dad ist tot.«
    Paul sah erschrocken aus. »Tot? Aber Nicolas ist ein Kerl wie ein Baum, so gesund und stark!«
    »Er hatte Leukämie«, sagte ich. »Er ist gestorben, als ich sieben war.«
    »Oh, mein Gott. Das tut mir furchtbar leid.« Paul schaute mich ernst und traurig an. »Das war sicher furchtbar für dich, ohne Vater aufwachsen zu müssen.«
    »Hör auf, mit ihm zu reden«, sagte Gideon wieder. »Er versucht uns nur hinzuhalten, bis Verstärkung kommt.«
    »Denkst du immer noch, ich wäre hinter eurem Blut her?« Die gelben Augen hatten einen gefährlichen Glanz.
    »Allerdings«, sagte Gideon.
    »Und du glaubst, Millhouse, Frank und ich und die Pistole würden nicht allein mit dir fertig werden?«, fragte Paul spöttisch. »Allerdings«, sagte Gideon wieder.
    »Oh, ich bin sicher, mein lieber Bruder und die anderen Wächter haben dafür gesorgt, dass du eine richtige Kampfmaschine bist«, sagte Paul. »Du musstest schließlich den Karren wieder aus dem Dreck ziehen. Oder vielmehr den Chronografen. Unsereins hat ja aus reiner Tradition nur ein bisschen Degenfechten gelernt und die obligatorische Violine. Aber ich wette, du kannst auch noch Taekwondo und so einen Kram. Das muss man wohl können, wenn man in die Vergangenheit reisen und Menschen zum Bluten bringen will.«
    »Bis jetzt haben diese Menschen mir ihr Blut freiwillig gegeben.«
    »Aber nur, weil sie nicht wissen, wohin das führen wird!«
    »Nein! Weil sie nicht zerstören wollten, wofür die Wächter seit Jahrhunderten geforscht, gewacht und gearbeitet haben!«
    »Blablabla! Mit diesem pathetischen Gerede sind wir auch unser Leben lang berieselt worden. Aber
wir
kennen die Wahrheit über die Absichten des Grafen von Saint Germain.«
    »Und was ist die Wahrheit?«, platzte es aus mir heraus.
    Auf der Treppe waren Schritte zu hören.
    »Da kommt die Verstärkung schon«, sagte Paul, ohne sich umzudrehen.
    »Die Wahrheit ist, dass er lügt, sobald er den Mund aufmacht«, sagte Gideon.
    Der Butler machte Platz, um ein zierliches rothaariges Mädchen ins Zimmer zu lassen, nur ein bisschen zu alt, um Lady Tilneys Tochter zu sein.
    »Das kann ich nicht glauben«, sagte das Mädchen. Sie sah mich an, als hätte sie noch nie etwas Seltsameres gesehen als mich.
    »Glaub es ruhig, Prinzessin!«, sagte Paul. Es klang zärtlich und ein bisschen besorgt.
    Das Mädchen stand auf der Schwelle wie angewurzelt.
    »Du bist Lucy«, sagte ich. Die Familienähnlichkeit war nicht zu übersehen.
    »Gwendolyn«, sagte Lucy. Sie hauchte es eigentlich nur.
    »Ja, das ist Gwendolyn«, sagte Paul. »Und der Typ, der sich da an sie klammert, als wäre sie sein Lieblingsteddy, ist mein Cousinneffe - oder wie auch immer man das nennt. Er will leider die ganze Zeit schon gehen.«
    »Bitte nicht!«, sagte Lucy. »Wir müssen mit euch reden.«
    »Ein anderes Mal gern«, sagte Gideon
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