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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot
Autoren: Kerstin Gier
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ihren Kopf an seine Brust und vergrub ihr Gesicht in seiner Jacke. »Ich liebe dich so sehr«, murmelte sie.
    »Willst du meine Frau werden?«
    »Ja«, sagte sie, das Gesicht immer noch an seiner Brust vergraben. »Aber nur, wenn wir spätestens in Queenstown wieder aussteigen.«
    »Bereit für das nächste Abenteuer, Prinzessin?« »Bereit, wenn du es bist«, sagte sie leise.
     
    Eine unkontrollierte Reise durch die Zeit kündigt sich in der Regel einige Minuten, manchmal auch Stunden oder sogar Tage vorher durch Schwindelgefühle in Kopf, Magen und/oder in den Beinen an. Viele Gen-Träger berichten auch von migräneähnlichen Kopfschmerzen. Der erste Zeitsprung - auch Initiationssprung genannt -findet zwischen dem 16. und 17. Lebensjahr des Gen-Trägers statt.
     
    Aus den Chroniken der Wächter, Band 2, Allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten
     

1 .
    Montagmittag in der Schul-Cafeteria spürte ich es zum ersten Mal. Für einen Moment hatte ich ein Gefühl im Bauch wie auf der Achterbahn, wenn man von der höchsten Stelle bergab rast. Es dauerte nur zwei Sekunden, aber es reichte, um mir einen Teller Kartoffelpüree mit Soße über die Schuluniform zu kippen. Das Besteck schepperte zu Boden, den Teller konnte ich gerade noch festhalten.
    »Das Zeug schmeckt ohnehin wie schon mal vom Boden aufgewischt«, sagte meine Freundin Leslie, während ich die Schweinerei notdürftig beseitigte. Natürlich schauten alle zu mir herüber. »Wenn du willst, kannst du dir meine Portion gerne auch noch auf die Bluse schmieren.«
    »Nein, danke.« Die Bluse der Schuluniform von Saint Lennox hatte zwar zufälligerweise die Farbe von Kartoffelpüree, trotzdem fiel der Fleck unangenehm ins Auge. Ich knöpfte die dunkelblaue Jacke darüber zu.
    »Na, muss die kleine Gwenny wieder mal mit ihrem Essen spielen?«, sagte Cynthia Dale. »Setz dich bloß nicht neben mich, Schlabbertante.«
    »Als ob ich mich freiwillig neben dich setzen würde, Cyn.« Leider passierte mir öfter ein kleines Missgeschick mit dem Schulessen. Erst letzte Woche war mir eine grüne Götterspeise aus ihrer Alu-Form gehüpft und zwei Meter weiter in den Spaghetti Carbonara eines Fünftklässlers gelandet. Die Woche davor war mir Kirschsaft umgekippt und alle am Tisch hatten ausgesehen, als hätten sie die Masern. Und wie oft ich die blöde Krawatte, die zur Schuluniform gehörte, schon in Soße, Saft oder Milch getunkt hatte, konnte ich gar nicht mehr zählen.
    Nur schwindelig war mir dabei noch nie gewesen.
    Aber wahrscheinlich hatte ich mir das nur eingebildet. In letzter Zeit war bei uns zu Hause einfach zu viel von Schwindelgefühlen die Rede gewesen.
    Allerdings nicht von meinen, sondern denen meiner Cousine Charlotte, die, wunderschön und makellos wie immer, neben Cynthia saß und ihren Kartoffelbrei löffelte.
    Die ganze Familie wartete darauf, dass Charlotte schwindelig wurde. An manchen Tagen erkundigte sich Lady Arista - meine Großmutter - alle zehn Minuten, ob sie etwas spüre. Die Pause dazwischen nutzte meine Tante Glenda, Charlottes Mutter, um haargenau das Gleiche zu fragen.
    Und jedes Mal, wenn Charlotte verneinte, kniff Lady Arista die Lippen zusammen und Tante Glenda seufzte. Manchmal auch umgekehrt.
    Wir anderen - meine Mum, meine Schwester Caroline, mein Bruder Nick und Großtante Maddy - verdrehten die Augen. Natürlich war es aufregend, jemanden mit einem Zeitreise-Gen in der Familie zu haben, aber mit den Jahren nutzte sich das doch merklich ab. Manchmal hatten wir das Theater, das um Charlotte veranstaltet wurde, einfach über.
    Charlotte selber pflegte ihre Gefühle hinter einem geheimnisvollen Mona-Lisa-Lächeln zu verbergen. An ihrer Stelle hätte ich auch nicht gewusst, ob ich mich über fehlende Schwindelgefühle freuen oder ärgern sollte. Na ja, um ehrlich zu sein, ich hätte mich vermutlich gefreut. Ich war eher der ängstliche Typ. Ich hatte gern meine Ruhe.
    »Früher oder später ist es so weit«, sagte Lady Arista jeden Tag. »Und dann müssen wir bereit sein.«
    Tatsächlich war es nach dem Mittagessen so weit, im Geschichtsunterricht bei Mr Whitman. Ich war hungrig aus der Cafeteria aufgestanden. Zu allem Überfluss hatte ich nämlich ein schwarzes Haar im Nachtisch - Stachelbeerkompott mit Vanillepudding - gefunden und war mir nicht sicher gewesen, ob es sich um mein eigenes oder das einer Küchenhilfe gehandelt hatte. So oder so war mir der Appetit vergangen.
    Mr Whitman gab uns den Geschichtstest zurück, den wir letzte
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