Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roter Regen

Titel: Roter Regen
Autoren: Michael Moritz
Vom Netzwerk:
mit einer Jenne.«
    »Na dann …«
    Frau Jenne kam mit den Getränken zurück, platzierte sie auf
Bierdeckeln und blickte Belledin kurz an. Dann linste sie verschmitzt zu
Killian hinüber, grinste und wackelte wieder davon.
    »Wie du beim Mossad landen konntest, ist mir ein Rätsel bei deinem
schlechten Gedächtnis«, stichelte Belledin.
    »Ein schlechtes Gedächtnis ist eine ausgezeichnete Voraussetzung für
meinen Job. Manchmal wäre ich froh, ich könnte noch mehr vergessen.« Killian
hob sein Glas und prostete Belledin zu.
    Diesem schauderte bei dem Blick, der ihn aus Killians Augen traf.
Auch Belledin war im Laufe seiner Polizeiarbeit vieles begegnet, das er nur all
zu gern wieder vergessen würde, doch er konnte nur ahnen, was für Horrorfresken
sich in Killians Seele eingebrannt haben mussten.
    Belledin spülte die Weinschorle im Mund, dann schluckte er und
fragte endlich, was ihn schon lange plagte: »Wieso stehst du beim BKA eigentlich so hoch im Kurs? Hast du
der Kanzlerin mal das Leben gerettet, ohne dass es einer weiß? Oder warst du
es, der von Saddam ein Foto geschossen hat, noch ehe die Marines angerückt
waren? Welche Orden trägst du, dass sie dich derart hofieren?«
    Hinter seiner Frage steckte eine gehörige Portion Neid. Belledin
hatte die gehobene Beamtenlaufbahn zwar im Schnelldurchgang bewältigt, aber
Killian war um alles herumgelaufen und besaß dennoch das bessere Netzwerk. Während
Belledin sich mit Streife durch die Niederungen der Kleinkriminalität bis zum
Hauptkommissar der Mordkommission Freiburg geschliffen hatte und sich bei jeder
Aktion selbst überprüfen musste, ob er auch nach dem Gesetz handelte, war
Killian ein gefeierter Kriegsfotograf geworden, der obendrein noch
international über die besten Geheimdienstkontakte verfügte. Es sprengte
Belledins Fassungsvermögen. Solche Typen wie Killian kannte er sonst nur aus
Agentenfilmen. Am Kaiserstuhl konnte es so etwas nicht geben. Schon gar nicht,
wenn man aus demselben Dorf kam und dieselbe Schule besucht hatte. Killian
irritierte Belledin so sehr, dass er sich selbst zu hinterfragen begann. Und
dieses Hinterfragen reichte weit über die sonstigen Symptome einer
Midlife-Crisis hinaus. Der einzige Umstand, der Belledin beruhigte, war, dass
auch Killian nicht glücklich wirkte.
    Killian zuckte mit den Schultern. »Manchmal wirft dich das Schicksal
einfach in einen anderen Ring. Wie viele talentierte Fußballer gibt es, die
keine Profis geworden sind, weil sie eben nur im Dorfverein gespielt haben und
nie von Talentscouts gesehen wurden? Ich kenne hochbegabte Schauspieler, die
direkt nach ihrer Ausbildung am Landestheater Wilhelmshaven landeten und dort
große Kunst ablieferten, während andere unbeholfen ins Burgtheater stolperten
und sich seitdem mit dem Titel des Burgmimen schmücken. Wo jemand seine
Qualität bringt, hängt nicht immer von ihm selbst ab, sondern von unzähligen
Details, die wir alle gar nicht überblicken. Vielleicht habe ich ein wichtiges
Foto geschossen, das jemandem noch wichtigeren das Leben gerettet hat,
vielleicht bin ich aber nur ein Arschloch, das ein paar Fotos geknipst hat, die
besser nicht ans Tageslicht gelangen, wer weiß das schon …«
    Frau Jenne balancierte Flädlesuppe, Jägerschnitzel und Salat auf
ihren geübten Händen und servierte die herzhaften Speisen. »Gute Appetit, die
Herren.«
    Belledin nickte freundlich, Killian sah aufs Dekolleté. Vor allem
der Leberfleck über ihrer linken Brust hypnotisierte ihn geradezu. »Britta«,
hörte er sich auf einmal sagen.
    Sie drehte sich zu ihm hin und lächelte. »Doch kei Alzheimer. Da bin
ich aber froh.«
    Killian musste laut lachen. Dass es ausgerechnet der Leberfleck auf
Brittas Brust war, der ihm die Erinnerung an das Geschöpf zurückgab, das ihn
bei einem Sommernachtsfest der Bötzinger DLRG mit Leidenschaft verwöhnt hatte! Aber er hatte ihr damals schon nicht ins
Gesicht geschaut. Niemand hatte das getan. Britta war ein Mädchen gewesen, das
man ob seiner Brüste schätzte und leider auch darauf reduzierte. Sie hatte
sicherlich noch ganz andere Qualitäten, aber die waren den Jungs damals nicht
so wichtig gewesen.
    »Bedienung«, tönte es vom anderen Tisch herüber, wofür Killian sehr
dankbar war, denn er wollte die Begegnung mit Britta nicht vertiefen. Sie warf
ihm noch einen Blick zu, der Killian ahnen ließ, dass er bei Gelegenheit
nahtlos an das damalige Sommernachtsfest anknüpfen könnte, dann steuerte sie
mit ihrem betonten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher